wagen konte. Grosser Man, danke Got, daß du in einem Jarhundert geboren wurdest, wo man deine Weisheit noch bewunderte, stat daß man sie im iezigen bestrafen würde. Ins Tolhaus würden die Tollen den einzigen Klugen füren; aber du würdest das Tolhaus, wie nach Seneka's Ausspruch Sokrates den Kerker, veredeln! --5
[101]"Der Maler wird durch Beleidigung des Kostume lächerlich" dies ist war; aber in Beziehung auf mich nicht passend, sondern nur wizig. Um gleiches mit gleichem zu vergelten, dürft' ich nur sagen, die Gewändermaler sind nicht die grösten in ihrer Kunst, sondern die, deren Pinsel nicht dem Schneider, sondern Got nachschaft und nicht10 Kleider, sondern Körper malet. Aber was geht mich der Maler an? Seine Geburten können blos durch Gestalt d. h. durch Schale ge- fallen; aber ist dies meine Bestimmung? brauch' ich mit meinem organisirten Kot zu gefallen? kaum wenn ich heiraten wolte!! Übrigens hab' ich ia oben bewiesen, daß ich das Kostume nicht beleidigt. -- Sie15 sagen "die Ameisen bringen die Ameise um, die sich nach ihrem eignen "Kopfe trägt" -- dies past wiederum nicht auf mich; denn ich erkrieche mir von keiner Ameise ein Amt, hänge von keiner ab, sondern lebe in meinem eignen Loche und von meiner eignen Arbeit. --
Warum ich nicht nakt gehe? -- a. weil mir die Geseze es verbieten,20 die die Beleidigung der öffentlichen Sitsamkeit mit Tolhaus oder Gefängnis anden; hierin komt es nicht auf meinen Willen, sondern auf mein Vermögen an. Ich darf also nicht nakt gehen; aber bekleidet gehen wie ich wil, das darf ich. b. weil mir es ausser der Obrigkeit auch mein Körper verbietet, den für seine Entblössung die hiesige25 Abwechselung von Kälte und Wärme, Regen und Sonnenschein hart genug bestrafen würde. c. weil ich die Geselschaft aller derer, die Kleider tragen, entberen müste. Eine solche Entberung würd' ich nicht verschmerzen können, da ich alsdan von allen denen, die ich belachen mus, um sat zu werden, niemand mer hätte als mich selbst. Ich könte30 noch tausend Unbequemlichkeiten, welche gänzliche Naktheit vor meiner iezigen Bekleidung voraus hat, anfüren; allein ich schneide die fernern Beantwortungen ab, die Sie eben so ser ermüden würden als mich selbst. --
"Die ware Philosophie wil nie, daß sich andre nach uns richten,35 "sondern daß wir uns nach andern richten" sagen Sie endlich; aber verlang' ich denn, daß sich andre wie ich tragen sollen? Und eben darum
wagen konte. Groſſer Man, danke Got, daß du in einem Jarhundert geboren wurdeſt, wo man deine Weisheit noch bewunderte, ſtat daß man ſie im iezigen beſtrafen würde. Ins Tolhaus würden die Tollen den einzigen Klugen füren; aber du würdeſt das Tolhaus, wie nach Seneka’s Ausſpruch Sokrates den Kerker, veredeln! —5
[101]„Der Maler wird durch Beleidigung des Koſtume lächerlich“ dies iſt war; aber in Beziehung auf mich nicht paſſend, ſondern nur wizig. Um gleiches mit gleichem zu vergelten, dürft’ ich nur ſagen, die Gewändermaler ſind nicht die gröſten in ihrer Kunſt, ſondern die, deren Pinſel nicht dem Schneider, ſondern Got nachſchaft und nicht10 Kleider, ſondern Körper malet. Aber was geht mich der Maler an? Seine Geburten können blos durch Geſtalt d. h. durch Schale ge- fallen; aber iſt dies meine Beſtimmung? brauch’ ich mit meinem organiſirten Kot zu gefallen? kaum wenn ich heiraten wolte!! Übrigens hab’ ich ia oben bewieſen, daß ich das Koſtume nicht beleidigt. — Sie15 ſagen „die Ameiſen bringen die Ameiſe um, die ſich nach ihrem eignen „Kopfe trägt“ — dies paſt wiederum nicht auf mich; denn ich erkrieche mir von keiner Ameiſe ein Amt, hänge von keiner ab, ſondern lebe in meinem eignen Loche und von meiner eignen Arbeit. —
Warum ich nicht nakt gehe? — a. weil mir die Geſeze es verbieten,20 die die Beleidigung der öffentlichen Sitſamkeit mit Tolhaus oder Gefängnis anden; hierin komt es nicht auf meinen Willen, ſondern auf mein Vermögen an. Ich darf alſo nicht nakt gehen; aber bekleidet gehen wie ich wil, das darf ich. b. weil mir es auſſer der Obrigkeit auch mein Körper verbietet, den für ſeine Entblöſſung die hieſige25 Abwechſelung von Kälte und Wärme, Regen und Sonnenſchein hart genug beſtrafen würde. c. weil ich die Geſelſchaft aller derer, die Kleider tragen, entberen müſte. Eine ſolche Entberung würd’ ich nicht verſchmerzen können, da ich alsdan von allen denen, die ich belachen mus, um ſat zu werden, niemand mer hätte als mich ſelbſt. Ich könte30 noch tauſend Unbequemlichkeiten, welche gänzliche Naktheit vor meiner iezigen Bekleidung voraus hat, anfüren; allein ich ſchneide die fernern Beantwortungen ab, die Sie eben ſo ſer ermüden würden als mich ſelbſt. —
„Die ware Philoſophie wil nie, daß ſich andre nach uns richten,35 „ſondern daß wir uns nach andern richten“ ſagen Sie endlich; aber verlang’ ich denn, daß ſich andre wie ich tragen ſollen? Und eben darum
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wagen konte. Groſſer Man, danke Got, daß du in einem Jarhundert
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den einzigen Klugen füren; aber du würdeſt das Tolhaus, wie nach
Seneka’s Ausſpruch Sokrates den Kerker, veredeln! — 5
„Der Maler wird durch Beleidigung des Koſtume lächerlich“ dies
iſt war; aber in Beziehung auf mich nicht paſſend, ſondern nur wizig.
Um gleiches mit gleichem zu vergelten, dürft’ ich nur ſagen, die
Gewändermaler ſind nicht die gröſten in ihrer Kunſt, ſondern die,
deren Pinſel nicht dem Schneider, ſondern Got nachſchaft und nicht 10
Kleider, ſondern Körper malet. Aber was geht mich der Maler an?
Seine Geburten können blos durch Geſtalt d. h. durch Schale ge-
fallen; aber iſt dies meine Beſtimmung? brauch’ ich mit meinem
organiſirten Kot zu gefallen? kaum wenn ich heiraten wolte!! Übrigens
hab’ ich ia oben bewieſen, daß ich das Koſtume nicht beleidigt. — Sie 15
ſagen „die Ameiſen bringen die Ameiſe um, die ſich nach ihrem eignen
„Kopfe trägt“ — dies paſt wiederum nicht auf mich; denn ich erkrieche
mir von keiner Ameiſe ein Amt, hänge von keiner ab, ſondern lebe in
meinem eignen Loche und von meiner eignen Arbeit. —
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Warum ich nicht nakt gehe? — a. weil mir die Geſeze es verbieten, 20
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Gefängnis anden; hierin komt es nicht auf meinen Willen, ſondern auf
mein Vermögen an. Ich darf alſo nicht nakt gehen; aber bekleidet
gehen wie ich wil, das darf ich. b. weil mir es auſſer der Obrigkeit
auch mein Körper verbietet, den für ſeine Entblöſſung die hieſige 25
Abwechſelung von Kälte und Wärme, Regen und Sonnenſchein hart
genug beſtrafen würde. c. weil ich die Geſelſchaft aller derer, die
Kleider tragen, entberen müſte. Eine ſolche Entberung würd’ ich nicht
verſchmerzen können, da ich alsdan von allen denen, die ich belachen
mus, um ſat zu werden, niemand mer hätte als mich ſelbſt. Ich könte 30
noch tauſend Unbequemlichkeiten, welche gänzliche Naktheit vor
meiner iezigen Bekleidung voraus hat, anfüren; allein ich ſchneide die
fernern Beantwortungen ab, die Sie eben ſo ſer ermüden würden als
mich ſelbſt. —
„Die ware Philoſophie wil nie, daß ſich andre nach uns richten, 35
„ſondern daß wir uns nach andern richten“ ſagen Sie endlich; aber
verlang’ ich denn, daß ſich andre wie ich tragen ſollen? Und eben darum
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/117>, abgerufen am 22.11.2024.
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