verhelfen, so wie in England der Kopf eines Helden (nach dem Bericht Young's) die spizigen Nadeln den Käufern anpreiset. Die Pointen schikken sich eben wie die Nadeln am besten für die Weiber; ein Wiziger handelt höchstens mit schneidender Ware, aber ein Genie ver- handelt die Begriffe en gros. --5
Du -- ich meine nicht dich, sondern den König in Preusen -- reitest sowol auf dem Pegasus, um zu dichten, als auf dem Buzephal, um zu siegen und springst gleich den englischen Bereitern, die ich mit Örtheln in Leipzig sah, von einem Gaul behende auf den andern -- -- Deine Hand ist mit Dinte und Blut zugleich beflekt und hält bald den Degen10 bald das Federmesser -- Gleich den Bienen, giebst du mit deinem Munde Honig, aus alten Dichtern gesogen, und mit deinem Helden- stachel Schmerzen oder Tod -- Du mist Sylben und Soldaten und zwingst deine Truppen und deine Verse unter eine gleichstrenge Regelmässigkeit -- Du gleichst dem Adler, wenn dich deine Flügel gegen15 den Phöbus tragen und gleichst ihm, wenn du deine Klauen auf die[94] Bewoner einer niedrigern Sphäre herunterhäuest -- Du bist bald ein Raubvogel, bald ein Sangvogel -- Du singst wie die, welche du besiegest und entdekst am Ende der Schlacht den Rükzug so glüklich wie am Ende des Verses den Reim. etc.20
Den 5. Jul.
Ich bin mit dem lezten Absaze nicht ser zufrieden; allein durch- strichen würde er diesen Brief so gut entstellen als iezt undurch- strichen. Ich schrieb ihn gestern, um etwas besseres schreiben zu können und um aus dem Selenschlafe, den uns manche Theologen erst25 nach dem Tode drohen, aufzuwachen; allein ich schlief dabei so fest ein, daß du gewis auch mein Gänen wirst akkompagniret haben. Kinder des Schlafs werden Väter des Schlafs. -- So was nenn' ich Hausmanskost -- denn warlich du bekomst meine Briefe (selbst das französische Postskript) aus der ersten Hand, und ich mundire sie zwar30 alzeit, aber nicht für dich, sondern für mein Korrespondenzbuch -- aber bei deiner Hausmanskost fält mir deine Frau Mutter ein. Sie bedauerte neulich, da ich sie um elf Ur überraschte, daß sie mich blos mit Hausmanskost abspeisen könte. Die Hausmanskost bestand nämlich in Reis, Rindfleisch mit Rosinen, etwas kalte Fische und beinahe nur35 soviel Braten, daß man sat hatte; den Wein des h. Abendmals (das
verhelfen, ſo wie in England der Kopf eines Helden (nach dem Bericht Young’s) die ſpizigen Nadeln den Käufern anpreiſet. Die Pointen ſchikken ſich eben wie die Nadeln am beſten für die Weiber; ein Wiziger handelt höchſtens mit ſchneidender Ware, aber ein Genie ver- handelt die Begriffe en gros. —5
Du — ich meine nicht dich, ſondern den König in Preuſen — reiteſt ſowol auf dem Pegaſus, um zu dichten, als auf dem Buzephal, um zu ſiegen und ſpringſt gleich den engliſchen Bereitern, die ich mit Örtheln in Leipzig ſah, von einem Gaul behende auf den andern — — Deine Hand iſt mit Dinte und Blut zugleich beflekt und hält bald den Degen10 bald das Federmeſſer — Gleich den Bienen, giebſt du mit deinem Munde Honig, aus alten Dichtern geſogen, und mit deinem Helden- ſtachel Schmerzen oder Tod — Du miſt Sylben und Soldaten und zwingſt deine Truppen und deine Verſe unter eine gleichſtrenge Regelmäſſigkeit — Du gleichſt dem Adler, wenn dich deine Flügel gegen15 den Phöbus tragen und gleichſt ihm, wenn du deine Klauen auf die[94] Bewoner einer niedrigern Sphäre herunterhäueſt — Du biſt bald ein Raubvogel, bald ein Sangvogel — Du ſingſt wie die, welche du beſiegeſt und entdekſt am Ende der Schlacht den Rükzug ſo glüklich wie am Ende des Verſes den Reim. ꝛc.20
Den 5. Jul.
Ich bin mit dem lezten Abſaze nicht ſer zufrieden; allein durch- ſtrichen würde er dieſen Brief ſo gut entſtellen als iezt undurch- ſtrichen. Ich ſchrieb ihn geſtern, um etwas beſſeres ſchreiben zu können und um aus dem Selenſchlafe, den uns manche Theologen erſt25 nach dem Tode drohen, aufzuwachen; allein ich ſchlief dabei ſo feſt ein, daß du gewis auch mein Gänen wirſt akkompagniret haben. Kinder des Schlafs werden Väter des Schlafs. — So was nenn’ ich Hausmanskoſt — denn warlich du bekomſt meine Briefe (ſelbſt das franzöſiſche Poſtſkript) aus der erſten Hand, und ich mundire ſie zwar30 alzeit, aber nicht für dich, ſondern für mein Korreſpondenzbuch — aber bei deiner Hausmanskoſt fält mir deine Frau Mutter ein. Sie bedauerte neulich, da ich ſie um elf Ur überraſchte, daß ſie mich blos mit Hausmanskoſt abſpeiſen könte. Die Hausmanskoſt beſtand nämlich in Reis, Rindfleiſch mit Roſinen, etwas kalte Fiſche und beinahe nur35 ſoviel Braten, daß man ſat hatte; den Wein des h. Abendmals (das
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handelt höchſtens mit ſchneidender Ware, aber ein Genie ver-
handelt die Begriffe en gros. — 5
Du — ich meine nicht dich, ſondern den König in Preuſen — reiteſt
ſowol auf dem Pegaſus, um zu dichten, als auf dem Buzephal, um zu
ſiegen und ſpringſt gleich den engliſchen Bereitern, die ich mit Örtheln
in Leipzig ſah, von einem Gaul behende auf den andern — — Deine
Hand iſt mit Dinte und Blut zugleich beflekt und hält bald den Degen 10
bald das Federmeſſer — Gleich den Bienen, giebſt du mit deinem
Munde Honig, aus alten Dichtern geſogen, und mit deinem Helden-
ſtachel Schmerzen oder Tod — Du miſt Sylben und Soldaten und
zwingſt deine Truppen und deine Verſe unter eine gleichſtrenge
Regelmäſſigkeit — Du gleichſt dem Adler, wenn dich deine Flügel gegen 15
den Phöbus tragen und gleichſt ihm, wenn du deine Klauen auf die
Bewoner einer niedrigern Sphäre herunterhäueſt — Du biſt bald
ein Raubvogel, bald ein Sangvogel — Du ſingſt wie die, welche du
beſiegeſt und entdekſt am Ende der Schlacht den Rükzug ſo glüklich
wie am Ende des Verſes den Reim. ꝛc. 20
[94]Den 5. Jul.
Ich bin mit dem lezten Abſaze nicht ſer zufrieden; allein durch-
ſtrichen würde er dieſen Brief ſo gut entſtellen als iezt undurch-
ſtrichen. Ich ſchrieb ihn geſtern, um etwas beſſeres ſchreiben zu
können und um aus dem Selenſchlafe, den uns manche Theologen erſt 25
nach dem Tode drohen, aufzuwachen; allein ich ſchlief dabei ſo feſt
ein, daß du gewis auch mein Gänen wirſt akkompagniret haben.
Kinder des Schlafs werden Väter des Schlafs. — So was nenn’ ich
Hausmanskoſt — denn warlich du bekomſt meine Briefe (ſelbſt das
franzöſiſche Poſtſkript) aus der erſten Hand, und ich mundire ſie zwar 30
alzeit, aber nicht für dich, ſondern für mein Korreſpondenzbuch — aber
bei deiner Hausmanskoſt fält mir deine Frau Mutter ein. Sie
bedauerte neulich, da ich ſie um elf Ur überraſchte, daß ſie mich blos
mit Hausmanskoſt abſpeiſen könte. Die Hausmanskoſt beſtand nämlich
in Reis, Rindfleiſch mit Roſinen, etwas kalte Fiſche und beinahe nur 35
ſoviel Braten, daß man ſat hatte; den Wein des h. Abendmals (das
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/110>, abgerufen am 25.11.2024.
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