Ich verstehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das, was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung5 nicht ganz trüget, so sind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre Freunde sind und Sie würden eine solche Kleinigkeit, wie eine Klei- dung ist, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht andre getan. Diese "andern" würd' ich darum hochachten, weil Sie sie zu achten scheinen; allein diese Herren von Schwarzenbach ver-10 dienen, soviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret, Ihre Achtung sowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern Völkel und dem Hern Kletterer in Rüksicht meiner sagen könte: "Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf- "blaset, weil alle übrige Frösche, die um euch sizen, sich nicht so dik auf-15 "blasen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen "Gebüschen schlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, stat daß eure "schlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben -- lasset doch einem "andern seine Narrenkappe, ungeachtet sie der eurigen wenig gleichet; "eure wäre ia für meinen Kopf zu eng geschnitten und eure Verbrä-20 "mung derselben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr liesset auf "eure Schellen einen schönen Affen mit einem langen Schwanz nach "dem Leben stechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich[88] "auf die meinigen einen bessern Affen, nämlich einen Urangutang "gepräget. Ihr sagt ia so oft, ieder Mensch darf seine eigne Vernunft25 "haben; warum sol nicht ieder auch seine eigne Narheit haben?" -- Verzeihen Sie mir diesen Ton, den Sie in kurzem vielleicht selbst anschlagen werden. Ich bin diesen Leuten so feind, weil sie die Veranlassung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und ich mus dem meine Liebe versagen, der mir die Ihrige stielt. Auch30 schikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymisti- schen Buchs "Annulus Platonis" die Her Doppelmaier herausgegeben. Lesen Sie die lezte Seite dieser Piece; und vergleichen Sie sie mit der Note der 23. Seite meiner satirischen Skizzen. Ich sage kein Wort mer darüber! -- Die Zurüksendung bitte ich mir schon auf heute wieder35 aus, da man es mir nicht länger geliehen.
6 Jean Paul Briefe. I.
50. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P. Hochzuver[er]ender Her Pfarrer,
Ich verſtehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das, was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung5 nicht ganz trüget, ſo ſind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre Freunde ſind und Sie würden eine ſolche Kleinigkeit, wie eine Klei- dung iſt, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht andre getan. Dieſe „andern“ würd’ ich darum hochachten, weil Sie ſie zu achten ſcheinen; allein dieſe Herren von Schwarzenbach ver-10 dienen, ſoviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret, Ihre Achtung ſowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern Völkel und dem Hern Kletterer in Rükſicht meiner ſagen könte: „Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf- „blaſet, weil alle übrige Fröſche, die um euch ſizen, ſich nicht ſo dik auf-15 „blaſen können, und weil ihr die Nachtigallen, die ihr aus ienen „Gebüſchen ſchlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, ſtat daß eure „ſchlechtern Brüder die Oren in Schlam eingraben — laſſet doch einem „andern ſeine Narrenkappe, ungeachtet ſie der eurigen wenig gleichet; „eure wäre ia für meinen Kopf zu eng geſchnitten und eure Verbrä-20 „mung derſelben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr lieſſet auf „eure Schellen einen ſchönen Affen mit einem langen Schwanz nach „dem Leben ſtechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich[88] „auf die meinigen einen beſſern Affen, nämlich einen Urangutang „gepräget. Ihr ſagt ia ſo oft, ieder Menſch darf ſeine eigne Vernunft25 „haben; warum ſol nicht ieder auch ſeine eigne Narheit haben?“ — Verzeihen Sie mir dieſen Ton, den Sie in kurzem vielleicht ſelbſt anſchlagen werden. Ich bin dieſen Leuten ſo feind, weil ſie die Veranlaſſung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und ich mus dem meine Liebe verſagen, der mir die Ihrige ſtielt. Auch30 ſchikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymiſti- ſchen Buchs „Annulus Platonis“ die Her Doppelmaier herausgegeben. Leſen Sie die lezte Seite dieſer Piece; und vergleichen Sie ſie mit der Note der 23. Seite meiner ſatiriſchen Skizzen. Ich ſage kein Wort mer darüber! — Die Zurükſendung bitte ich mir ſchon auf heute wieder35 aus, da man es mir nicht länger geliehen.
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50. An Pfarrer Vogel in Rehau.
P. P.
Hochzuver[er]ender Her Pfarrer,
Ich verſtehe Ihren lezten Brief nicht volkommen; allein auf das,
was ich erraten, mus ich antworten. Wenn mich meine Beobachtung 5
nicht ganz trüget, ſo ſind Sie darum unwillig auf mich, weil es Ihre
Freunde ſind und Sie würden eine ſolche Kleinigkeit, wie eine Klei-
dung iſt, Ihrer Bemerkung nicht gewürdigt haben, hätten es nicht
andre getan. Dieſe „andern“ würd’ ich darum hochachten, weil Sie
ſie zu achten ſcheinen; allein dieſe Herren von Schwarzenbach ver- 10
dienen, ſoviel mich eigne kurze Erfarung und fremdes Urteil geleret,
Ihre Achtung ſowenig, daß ich zu dem Hern Vogel und dem Hern
Völkel und dem Hern Kletterer in Rükſicht meiner ſagen könte:
„Lieben Leute! die ihr euch in einem unbekanten Winkel der Welt auf-
„blaſet, weil alle übrige Fröſche, die um euch ſizen, ſich nicht ſo dik auf- 15
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„Gebüſchen ſchlagen höret, mit Quakken akkompagnirt, ſtat daß eure
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„andern ſeine Narrenkappe, ungeachtet ſie der eurigen wenig gleichet;
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„mung derſelben nachzuamen verbietet mir mein Beutel. Ihr lieſſet auf
„eure Schellen einen ſchönen Affen mit einem langen Schwanz nach
„dem Leben ſtechen; haltet mich aber darum für keinen Affen, weil ich
„auf die meinigen einen beſſern Affen, nämlich einen Urangutang
„gepräget. Ihr ſagt ia ſo oft, ieder Menſch darf ſeine eigne Vernunft 25
„haben; warum ſol nicht ieder auch ſeine eigne Narheit haben?“ —
Verzeihen Sie mir dieſen Ton, den Sie in kurzem vielleicht ſelbſt
anſchlagen werden. Ich bin dieſen Leuten ſo feind, weil ſie die
Veranlaſſung Ihres kleinen Unwillens gegen mich geworden und
ich mus dem meine Liebe verſagen, der mir die Ihrige ſtielt. Auch 30
ſchikke ich Ihnen zugleich eine gedrukte Verteidigung des alchymiſti-
ſchen Buchs „Annulus Platonis“ die Her Doppelmaier herausgegeben.
Leſen Sie die lezte Seite dieſer Piece; und vergleichen Sie ſie mit der
Note der 23. Seite meiner ſatiriſchen Skizzen. Ich ſage kein Wort
mer darüber! — Die Zurükſendung bitte ich mir ſchon auf heute wieder 35
aus, da man es mir nicht länger geliehen.
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6 Jean Paul Briefe. I.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
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Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe von Jean Paul. Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Bereitstellung der Texttranskription.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Markus Bernauer, Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-11-22T14:52:17Z)
Weitere Informationen:
Die digitale Edition der Briefe Jean Pauls im Deutschen Textarchiv basiert auf der von Eduard Berend herausgegebenen III. Abteilung der Historisch-kritischen Ausgabe mit den Briefen Jean Pauls. Die Bände werden im Faksimile und in getreuer Umschrift ohne Korrekturen vollständig zugänglich gemacht. Nicht aufgenommen, da in der hier gewählten Präsentation kaum nutzbar, sind Berends umfangreiche Register über die III. Abteilung in Band III/9, die in das elektronische Gesamtregister über die Briefe von und an Jean Paul eingegangen sind. Das bedeutet: Aufbewahrungsorte von Handschriften sowie veraltete Literaturverweise blieben ebenso bestehen wie die Nummern der von Jean Paul beantworteten Briefe oder der an ihn gerichteten Antworten, Nummern, die sich auf die Regesten in den digitalisierten Bänden beziehen und nicht auf die neue IV. Abteilung mit den Briefen an Jean Paul (s. dort die Konkordanzen).
Eine andere, briefzentrierte digitale Edition der Briefe Jean Pauls ist derzeit als Gemeinschaftsprojekt der Jean-Paul-Edition und der Initiative TELOTA in Vorbereitung. Die Metadaten dieser Ausgabe sowie veraltete Verweise in den Erläuterungen werden dort so weit als möglich aktualisiert. Die Digitalisierung wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Jean Paul: Dritte Abteilung Briefe. In: Jean Pauls Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. 3, Bd. 1. Berlin, 1956, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jeanpaul_briefe01_1956/104>, abgerufen am 25.11.2024.
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