kunde, und daß man mit Völkern nicht umge¬ hen soll, wie mit Wachs und Teig. ---- --
Allerdings giebt es eine Völkerschöpfungs¬ kunst, die ist aber weder taschenspielerisch, noch halsbrechend. Allmählig will sie angewandt sein, immer neu fortgesetzt, und mit Liebe geführt wer¬ den, als Hinneigen zur wohlthätigen Natur. Aber im Nu dies vollbringen wollen, ist ein Vergreifen an der Menschheit. Die ewigrege Weltordnung rächt solche Unbilden, und an der Verkünstelung Auszehren, an der Verfrühung, an der Unzeitigkeit sterben alle solche Versuche -- auf solche Art ein Volksthum zu Stande zu bringen, bleibt unmöglich. -- -- --
Schwer zu erlernen, schwerer noch auszu¬ üben ist des Weltbeglückers heiliges Amt -- aber es ist eine Wollust der Tugend, eine mensch¬ liche Göttlichkeit die Erde als Heiland zu seg¬ nen, und den Völkern Menschlichwerdungskeime einzupflanzen. Jm Augenblick schon ewiggroß sein wollen, ist des Selbstlings Verzweifeln an Unsterblichkeit. Wohl ist jeder That die Folge mitgegeben, aber der Vollführer kann leichter Welten berechnen, als diese. Darum befrage er vorher die Zukunft beim ewiggültigen Sittenge¬
kunde, und daß man mit Völkern nicht umge¬ hen ſoll, wie mit Wachs und Teig. —— —
Allerdings giebt es eine Völkerſchöpfungs¬ kunſt, die iſt aber weder taſchenſpieleriſch, noch halsbrechend. Allmählig will ſie angewandt ſein, immer neu fortgeſetzt, und mit Liebe geführt wer¬ den, als Hinneigen zur wohlthätigen Natur. Aber im Nu dies vollbringen wollen, iſt ein Vergreifen an der Menſchheit. Die ewigrege Weltordnung rächt ſolche Unbilden, und an der Verkünſtelung Auszehren, an der Verfrühung, an der Unzeitigkeit ſterben alle ſolche Verſuche — auf ſolche Art ein Volksthum zu Stande zu bringen, bleibt unmöglich. — — —
Schwer zu erlernen, ſchwerer noch auszu¬ üben iſt des Weltbeglückers heiliges Amt — aber es iſt eine Wolluſt der Tugend, eine menſch¬ liche Göttlichkeit die Erde als Heiland zu ſeg¬ nen, und den Völkern Menſchlichwerdungskeime einzupflanzen. Jm Augenblick ſchon ewiggroß ſein wollen, iſt des Selbſtlings Verzweifeln an Unſterblichkeit. Wohl iſt jeder That die Folge mitgegeben, aber der Vollführer kann leichter Welten berechnen, als dieſe. Darum befrage er vorher die Zukunft beim ewiggültigen Sittenge¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0053"n="23"/><fwtype="pageNum"place="top">23<lb/></fw>kunde, und daß man mit Völkern nicht umge¬<lb/>
hen ſoll, wie mit Wachs und Teig. ———</p><lb/><p>Allerdings giebt es eine Völkerſchöpfungs¬<lb/>
kunſt, die iſt aber weder taſchenſpieleriſch, noch<lb/>
halsbrechend. Allmählig will ſie angewandt ſein,<lb/>
immer neu fortgeſetzt, und mit Liebe geführt wer¬<lb/>
den, als Hinneigen zur wohlthätigen Natur.<lb/>
Aber im Nu dies vollbringen wollen, iſt ein<lb/>
Vergreifen an der Menſchheit. Die ewigrege<lb/>
Weltordnung rächt ſolche Unbilden, und an der<lb/>
Verkünſtelung Auszehren, an der Verfrühung,<lb/>
an der Unzeitigkeit ſterben alle ſolche Verſuche —<lb/>
auf ſolche Art ein Volksthum zu Stande zu<lb/>
bringen, bleibt unmöglich. ———</p><lb/><p>Schwer zu erlernen, ſchwerer noch auszu¬<lb/>
üben iſt des Weltbeglückers heiliges Amt —<lb/>
aber es iſt eine Wolluſt der Tugend, eine menſch¬<lb/>
liche Göttlichkeit die Erde als Heiland zu ſeg¬<lb/>
nen, und den Völkern Menſchlichwerdungskeime<lb/>
einzupflanzen. Jm Augenblick ſchon ewiggroß<lb/>ſein wollen, iſt des Selbſtlings Verzweifeln an<lb/>
Unſterblichkeit. Wohl iſt jeder That die Folge<lb/>
mitgegeben, aber der Vollführer kann leichter<lb/>
Welten berechnen, als dieſe. Darum befrage er<lb/>
vorher die Zukunft beim ewiggültigen Sittenge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[23/0053]
23
kunde, und daß man mit Völkern nicht umge¬
hen ſoll, wie mit Wachs und Teig. —— —
Allerdings giebt es eine Völkerſchöpfungs¬
kunſt, die iſt aber weder taſchenſpieleriſch, noch
halsbrechend. Allmählig will ſie angewandt ſein,
immer neu fortgeſetzt, und mit Liebe geführt wer¬
den, als Hinneigen zur wohlthätigen Natur.
Aber im Nu dies vollbringen wollen, iſt ein
Vergreifen an der Menſchheit. Die ewigrege
Weltordnung rächt ſolche Unbilden, und an der
Verkünſtelung Auszehren, an der Verfrühung,
an der Unzeitigkeit ſterben alle ſolche Verſuche —
auf ſolche Art ein Volksthum zu Stande zu
bringen, bleibt unmöglich. — — —
Schwer zu erlernen, ſchwerer noch auszu¬
üben iſt des Weltbeglückers heiliges Amt —
aber es iſt eine Wolluſt der Tugend, eine menſch¬
liche Göttlichkeit die Erde als Heiland zu ſeg¬
nen, und den Völkern Menſchlichwerdungskeime
einzupflanzen. Jm Augenblick ſchon ewiggroß
ſein wollen, iſt des Selbſtlings Verzweifeln an
Unſterblichkeit. Wohl iſt jeder That die Folge
mitgegeben, aber der Vollführer kann leichter
Welten berechnen, als dieſe. Darum befrage er
vorher die Zukunft beim ewiggültigen Sittenge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/53>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.