losesten Verband, bis zum innigsten Bunde; je¬ de Verehrung höherer Wesen vom Fetischthum bis zur reinsten Religion. Sie sind eine gesel¬ lige Dichtkunst, eine Geheimschrift die unenträth¬ selte Zeichen hat. Wir haben die Kindlichkeit ihres Entstehens verloren, und kennen sie nur, weil wir sie brauchen und gebrauchen. Daher ihr Name. Auch sie sind ein Bedürfniß des Menschen, eine sinnliche Darstellung eines ge¬ heimen Lebenstriebes. Sie sind verkannt wor¬ den, man hat sie für Tand genommen, hat ge¬ fragt: Sollen sie die That putzen, die Leere ausfüllen, dem Menschen natürliche Dinge ver¬ zaubern? Sie sind ursprünglich eine Erfindung der Noth, nicht der Lust, ein Beweis, daß im Menschen sich dunkle Gefühle regen, die er hie¬ nieden nur unvollkommen an den Tag legt. Jn ihnen ist das Gesellige, Gemeinsame, Allergrei¬ fende, was aus der menschlichen Natur hervor¬ geht, nicht erst nach getroffener Übereinkunft; es ist höheres Sein und schöneres Wesen.
Es muß der Mensch dahin kommen, daß er fühlt und selbstbewußt wird, was er vermöge; wo er gestimmter fürs Wahre, fähiger fürs
loſeſten Verband, bis zum innigſten Bunde; je¬ de Verehrung höherer Weſen vom Fetiſchthum bis zur reinſten Religion. Sie ſind eine geſel¬ lige Dichtkunſt, eine Geheimſchrift die unenträth¬ ſelte Zeichen hat. Wir haben die Kindlichkeit ihres Entſtehens verloren, und kennen ſie nur, weil wir ſie brauchen und gebrauchen. Daher ihr Name. Auch ſie ſind ein Bedürfniß des Menſchen, eine ſinnliche Darſtellung eines ge¬ heimen Lebenstriebes. Sie ſind verkannt wor¬ den, man hat ſie für Tand genommen, hat ge¬ fragt: Sollen ſie die That putzen, die Leere ausfüllen, dem Menſchen natürliche Dinge ver¬ zaubern? Sie ſind urſprünglich eine Erfindung der Noth, nicht der Luſt, ein Beweis, daß im Menſchen ſich dunkle Gefühle regen, die er hie¬ nieden nur unvollkommen an den Tag legt. Jn ihnen iſt das Geſellige, Gemeinſame, Allergrei¬ fende, was aus der menſchlichen Natur hervor¬ geht, nicht erſt nach getroffener Übereinkunft; es iſt höheres Sein und ſchöneres Weſen.
Es muß der Menſch dahin kommen, daß er fühlt und ſelbſtbewußt wird, was er vermöge; wo er geſtimmter fürs Wahre, fähiger fürs
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loſeſten Verband, bis zum innigſten Bunde; je¬
de Verehrung höherer Weſen vom Fetiſchthum
bis zur reinſten Religion. Sie ſind eine geſel¬
lige Dichtkunſt, eine Geheimſchrift die unenträth¬
ſelte Zeichen hat. Wir haben die Kindlichkeit
ihres Entſtehens verloren, und kennen ſie nur,
weil wir ſie brauchen und gebrauchen. Daher
ihr Name. Auch ſie ſind ein Bedürfniß des
Menſchen, eine ſinnliche Darſtellung eines ge¬
heimen Lebenstriebes. Sie ſind verkannt wor¬
den, man hat ſie für Tand genommen, hat ge¬
fragt: Sollen ſie die That putzen, die Leere
ausfüllen, dem Menſchen natürliche Dinge ver¬
zaubern? Sie ſind urſprünglich eine Erfindung
der Noth, nicht der Luſt, ein Beweis, daß im
Menſchen ſich dunkle Gefühle regen, die er hie¬
nieden nur unvollkommen an den Tag legt. Jn
ihnen iſt das Geſellige, Gemeinſame, Allergrei¬
fende, was aus der menſchlichen Natur hervor¬
geht, nicht erſt nach getroffener Übereinkunft; es
iſt höheres Sein und ſchöneres Weſen.
Es muß der Menſch dahin kommen, daß
er fühlt und ſelbſtbewußt wird, was er vermöge;
wo er geſtimmter fürs Wahre, fähiger fürs
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/371>, abgerufen am 22.11.2024.
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