in eurer Sprachlehre, da ihr sie doch sonst so sehr liebt und befördert? Sprachfehler sind freilich nicht Fehler des Herzens, Mangel einer Kenntniß ist nicht Geistesmangel. Aber wie kommt es, daß ihr euch die gröbsten Fehler und Sinnentstellungen in der Muttersprache nicht übel nehmt, und sogar zu Gute haltet? Jhr rügt doch sonst die kleinsten Verstoße gegen Über¬ einkommnisse der Gesellschaft, und richtet strenge über Abweichungen? Die Sprache ist die ur¬ alte Gesellschaftsstifterin, und der Sprachge¬ brauch eine nie aus der Mode kommende Mo¬ de. Glaubt ihr etwa, die Deutsche Sprache sei eine so schmutzige Beschäftigung, wenn man damit zu thun habe, müsse man die Schmutzflecke auf der Arbeitsschürze nachsehen? Jhr irrt wenn ihr meint: aus einem hübschen Munde klinge Alles schön. Ein hübscher Mund wird durch ungewaschnes Zeug häßlich und ekelhaft.
Klopstock's Lied einer Deutschen Jungfrau sollte jedes Deutsche Mägdchen auswendig wis¬ sen, und die Louise, und Hermann und Dorothea, und Tiedgens Frauenspiegel; dazu als tägliches Erbauungsbuch für jetzt noch
in eurer Sprachlehre, da ihr ſie doch ſonſt ſo ſehr liebt und befördert? Sprachfehler ſind freilich nicht Fehler des Herzens, Mangel einer Kenntniß iſt nicht Geiſtesmangel. Aber wie kommt es, daß ihr euch die gröbſten Fehler und Sinnentſtellungen in der Mutterſprache nicht übel nehmt, und ſogar zu Gute haltet? Jhr rügt doch ſonſt die kleinſten Verſtoße gegen Über¬ einkommniſſe der Geſellſchaft, und richtet ſtrenge über Abweichungen? Die Sprache iſt die ur¬ alte Geſellſchaftsſtifterin, und der Sprachge¬ brauch eine nie aus der Mode kommende Mo¬ de. Glaubt ihr etwa, die Deutſche Sprache ſei eine ſo ſchmutzige Beſchäftigung, wenn man damit zu thun habe, müſſe man die Schmutzflecke auf der Arbeitsſchürze nachſehen? Jhr irrt wenn ihr meint: aus einem hübſchen Munde klinge Alles ſchön. Ein hübſcher Mund wird durch ungewaſchnes Zeug häßlich und ekelhaft.
Klopſtock’s Lied einer Deutſchen Jungfrau ſollte jedes Deutſche Mägdchen auswendig wiſ¬ ſen, und die Louiſe, und Hermann und Dorothea, und Tiedgens Frauenſpiegel; dazu als tägliches Erbauungsbuch für jetzt noch
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in eurer Sprachlehre, da ihr ſie doch ſonſt ſo
ſehr liebt und befördert? Sprachfehler ſind
freilich nicht Fehler des Herzens, Mangel einer
Kenntniß iſt nicht Geiſtesmangel. Aber wie
kommt es, daß ihr euch die gröbſten Fehler und
Sinnentſtellungen in der Mutterſprache nicht
übel nehmt, und ſogar zu Gute haltet? Jhr
rügt doch ſonſt die kleinſten Verſtoße gegen Über¬
einkommniſſe der Geſellſchaft, und richtet ſtrenge
über Abweichungen? Die Sprache iſt die ur¬
alte Geſellſchaftsſtifterin, und der Sprachge¬
brauch eine nie aus der Mode kommende Mo¬
de. Glaubt ihr etwa, die Deutſche Sprache ſei
eine ſo ſchmutzige Beſchäftigung, wenn man damit
zu thun habe, müſſe man die Schmutzflecke auf
der Arbeitsſchürze nachſehen? Jhr irrt wenn
ihr meint: aus einem hübſchen Munde klinge
Alles ſchön. Ein hübſcher Mund wird durch
ungewaſchnes Zeug häßlich und ekelhaft.
Klopſtock’s Lied einer Deutſchen Jungfrau
ſollte jedes Deutſche Mägdchen auswendig wiſ¬
ſen, und die Louiſe, und Hermann und
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/291>, abgerufen am 22.11.2024.
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