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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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ten die Römer: "Er kann nicht schwimmen,
nicht lesen" -- wir schafmüthigen Neudeut¬
schen Philister: "Er kann nicht lesen, nicht be¬
ten." Rufe doch jeder Deutschgesinnte Vater
der sorgsamen Mutter zu:

"Sie sollen Alles lernen. Wer durchs Leben
Sich frisch will schlagen, muß zu Schutz und Trutz
Gerüstet sein."

Schiller's Wilhelm Tell.

Gehen, Laufen, Springen, Wer¬
fen, Tragen
sind kostenfreie Übungen, überall
anwendbar, umsonst wie die Luft. Diese kann
der Staat von jedem verlangen, von Armen,
Mittelbegüterten und Reichen: Denn jeder hat
sie nöthig.

Klettern, Steigen, Sich im Gleich¬
gewicht halten
, sind äußerst wohlfeil; daß sie
mit geringer, ja unbedeutender Ausgabe des
Staats, überall in Gang gebracht werden könn¬
ten. Berge und Felsen Erklimmen, ist
freilich nur in Gebürgsgegenden zu üben, aber
da sollte es dann auch nicht unterbleiben.
Schwimmen müßte eine Hauptkunst des flu߬
reichen Deutschlandes sein, Flüsse die auch noch

Q 2

ten die Römer: „Er kann nicht ſchwimmen,
nicht leſen“ — wir ſchafmüthigen Neudeut¬
ſchen Philiſter: „Er kann nicht leſen, nicht be¬
ten.“ Rufe doch jeder Deutſchgeſinnte Vater
der ſorgſamen Mutter zu:

„Sie ſollen Alles lernen. Wer durchs Leben
Sich friſch will ſchlagen, muß zu Schutz und Trutz
Gerüſtet ſein.“

Schiller's Wilhelm Tell.

Gehen, Laufen, Springen, Wer¬
fen, Tragen
ſind koſtenfreie Übungen, überall
anwendbar, umſonſt wie die Luft. Dieſe kann
der Staat von jedem verlangen, von Armen,
Mittelbegüterten und Reichen: Denn jeder hat
ſie nöthig.

Klettern, Steigen, Sich im Gleich¬
gewicht halten
, ſind äußerſt wohlfeil; daß ſie
mit geringer, ja unbedeutender Ausgabe des
Staats, überall in Gang gebracht werden könn¬
ten. Berge und Felſen Erklimmen, iſt
freilich nur in Gebürgsgegenden zu üben, aber
da ſollte es dann auch nicht unterbleiben.
Schwimmen müßte eine Hauptkunſt des flu߬
reichen Deutſchlandes ſein, Flüſſe die auch noch

Q 2
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[243/0273] 243 ten die Römer: „Er kann nicht ſchwimmen, nicht leſen“ — wir ſchafmüthigen Neudeut¬ ſchen Philiſter: „Er kann nicht leſen, nicht be¬ ten.“ Rufe doch jeder Deutſchgeſinnte Vater der ſorgſamen Mutter zu: „Sie ſollen Alles lernen. Wer durchs Leben Sich friſch will ſchlagen, muß zu Schutz und Trutz Gerüſtet ſein.“ Schiller's Wilhelm Tell. Gehen, Laufen, Springen, Wer¬ fen, Tragen ſind koſtenfreie Übungen, überall anwendbar, umſonſt wie die Luft. Dieſe kann der Staat von jedem verlangen, von Armen, Mittelbegüterten und Reichen: Denn jeder hat ſie nöthig. Klettern, Steigen, Sich im Gleich¬ gewicht halten, ſind äußerſt wohlfeil; daß ſie mit geringer, ja unbedeutender Ausgabe des Staats, überall in Gang gebracht werden könn¬ ten. Berge und Felſen Erklimmen, iſt freilich nur in Gebürgsgegenden zu üben, aber da ſollte es dann auch nicht unterbleiben. Schwimmen müßte eine Hauptkunſt des flu߬ reichen Deutſchlandes ſein, Flüſſe die auch noch Q 2

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/273>, abgerufen am 22.11.2024.