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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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worts tiefen Sinn verstand jener Niederländische
Kaufmann, der einem reichen Jünglinge so lan¬
ge seine Tochter versagte, bis der adlige Lieb¬
haber erst ein Handwerk -- das Korbmachen --
gelernt hatte. Arbeiten können giebt Selbstver¬
trauen, verleiht das wohlthuende Gefühl der
Unabhängigkeit, beschützt die Liebe zum Recht.
Aussicht auf mancherlei Art den Unterhalt er¬
werben können erhebt über Unglück und Knecht¬
schaft, die das größte von allen Übeln ist. Die
Götter bedürfen nichts weil sie Alles haben; und
der Mensch hat viel, der wenig bedarf, ist freier
und selbständiger, je weniger Andere er braucht.
Wer mit Geist und Leib arbeiten kann "ist sei¬
nes eigenen Glückes Schmied," größer als sein
widriges Geschick, Prometheus bei des Donner¬
gottes Ungnade!

g) Wahl eines bestimmten Geschäfts.

Der Staat muß nie leere Titel austheilen
(Siehe unten VI. 6. c.), selbst wenn sie von Mü¬
ßiggängern, und etwas seinwollenden Tagedieben
auch noch so gut bezahlt werden. Wo das La¬
ster zu Ehren geräth, kommt die Tugend zu
Fall! Es wähle nun der Gelehrte eine Haupt¬

worts tiefen Sinn verſtand jener Niederländiſche
Kaufmann, der einem reichen Jünglinge ſo lan¬
ge ſeine Tochter verſagte, bis der adlige Lieb¬
haber erſt ein Handwerk — das Korbmachen —
gelernt hatte. Arbeiten können giebt Selbſtver¬
trauen, verleiht das wohlthuende Gefühl der
Unabhängigkeit, beſchützt die Liebe zum Recht.
Ausſicht auf mancherlei Art den Unterhalt er¬
werben können erhebt über Unglück und Knecht¬
ſchaft, die das größte von allen Übeln iſt. Die
Götter bedürfen nichts weil ſie Alles haben; und
der Menſch hat viel, der wenig bedarf, iſt freier
und ſelbſtändiger, je weniger Andere er braucht.
Wer mit Geiſt und Leib arbeiten kann „iſt ſei¬
nes eigenen Glückes Schmied,“ größer als ſein
widriges Geſchick, Prometheus bei des Donner¬
gottes Ungnade!

g) Wahl eines beſtimmten Geſchäfts.

Der Staat muß nie leere Titel austheilen
(Siehe unten VI. 6. c.), ſelbſt wenn ſie von Mü¬
ßiggängern, und etwas ſeinwollenden Tagedieben
auch noch ſo gut bezahlt werden. Wo das La¬
ſter zu Ehren geräth, kommt die Tugend zu
Fall! Es wähle nun der Gelehrte eine Haupt¬

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[228/0258] 228 worts tiefen Sinn verſtand jener Niederländiſche Kaufmann, der einem reichen Jünglinge ſo lan¬ ge ſeine Tochter verſagte, bis der adlige Lieb¬ haber erſt ein Handwerk — das Korbmachen — gelernt hatte. Arbeiten können giebt Selbſtver¬ trauen, verleiht das wohlthuende Gefühl der Unabhängigkeit, beſchützt die Liebe zum Recht. Ausſicht auf mancherlei Art den Unterhalt er¬ werben können erhebt über Unglück und Knecht¬ ſchaft, die das größte von allen Übeln iſt. Die Götter bedürfen nichts weil ſie Alles haben; und der Menſch hat viel, der wenig bedarf, iſt freier und ſelbſtändiger, je weniger Andere er braucht. Wer mit Geiſt und Leib arbeiten kann „iſt ſei¬ nes eigenen Glückes Schmied,“ größer als ſein widriges Geſchick, Prometheus bei des Donner¬ gottes Ungnade! g) Wahl eines beſtimmten Geſchäfts. Der Staat muß nie leere Titel austheilen (Siehe unten VI. 6. c.), ſelbſt wenn ſie von Mü¬ ßiggängern, und etwas ſeinwollenden Tagedieben auch noch ſo gut bezahlt werden. Wo das La¬ ſter zu Ehren geräth, kommt die Tugend zu Fall! Es wähle nun der Gelehrte eine Haupt¬

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/258>, abgerufen am 22.11.2024.