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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

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einer seit Jahrtausenden gesprochenen Ursprache
werden, wo frühe eigene Selbstbildung auffaßte
was die Natur anfing, und es durch den Sprach¬
gebrauch gesetzmäßig machte. Es ist mit Spra¬
chen wie mit der Baukunst. Aus der Felskluft
des Höhlenwohners ward die Pyramide, aus
dem Wanderzelte Salomos Tempel, aus der
Griechen Hütte die Säulenordnung, aus der
Deutschen Hainlaube Dom und Münster.

Die Muttersprache muß gelehrt werden,
nicht für das bloße Wissen, sondern für An¬
wendung im Leben, auf fünffache Weise, als:
Rechtsprechen, Rechtlesen, Rechtreden, Rechtschrei¬
ben und Gesang. Rechtsprechen und Recht¬
lesen
, wo jeder Sprachlaut vernehmlich nach
seiner Gebühr; keine Lauteverwechselung
von b und p, d und t (Sachsen), ch mit k (Leip¬
zig), g mit j (Brandenburg), g und j mit ch (Göt¬
tingen), e statt a (Hannover); oa statt a (Meck¬
lenburg); kein Zusammenziehn der Dop¬
pellaute
; kein Schnarren; kein Zischen
der Lispellaute
st, sp, und s. Daß man sol¬
che und noch eingewurzeltere Unarten sich abge¬
wöhnen kann, ist Demosthenes ein Beispiel. Nur

einer ſeit Jahrtauſenden geſprochenen Urſprache
werden, wo frühe eigene Selbſtbildung auffaßte
was die Natur anfing, und es durch den Sprach¬
gebrauch geſetzmäßig machte. Es iſt mit Spra¬
chen wie mit der Baukunſt. Aus der Felskluft
des Höhlenwohners ward die Pyramide, aus
dem Wanderzelte Salomos Tempel, aus der
Griechen Hütte die Säulenordnung, aus der
Deutſchen Hainlaube Dom und Münſter.

Die Mutterſprache muß gelehrt werden,
nicht für das bloße Wiſſen, ſondern für An¬
wendung im Leben, auf fünffache Weiſe, als:
Rechtſprechen, Rechtleſen, Rechtreden, Rechtſchrei¬
ben und Geſang. Rechtſprechen und Recht¬
leſen
, wo jeder Sprachlaut vernehmlich nach
ſeiner Gebühr; keine Lauteverwechſelung
von b und p, d und t (Sachſen), ch mit k (Leip¬
zig), g mit j (Brandenburg), g und j mit ch (Göt¬
tingen), e ſtatt a (Hannover); oa ſtatt a (Meck¬
lenburg); kein Zuſammenziehn der Dop¬
pellaute
; kein Schnarren; kein Ziſchen
der Liſpellaute
ſt, ſp, und ſ. Daß man ſol¬
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[189/0219] 189 einer ſeit Jahrtauſenden geſprochenen Urſprache werden, wo frühe eigene Selbſtbildung auffaßte was die Natur anfing, und es durch den Sprach¬ gebrauch geſetzmäßig machte. Es iſt mit Spra¬ chen wie mit der Baukunſt. Aus der Felskluft des Höhlenwohners ward die Pyramide, aus dem Wanderzelte Salomos Tempel, aus der Griechen Hütte die Säulenordnung, aus der Deutſchen Hainlaube Dom und Münſter. Die Mutterſprache muß gelehrt werden, nicht für das bloße Wiſſen, ſondern für An¬ wendung im Leben, auf fünffache Weiſe, als: Rechtſprechen, Rechtleſen, Rechtreden, Rechtſchrei¬ ben und Geſang. Rechtſprechen und Recht¬ leſen, wo jeder Sprachlaut vernehmlich nach ſeiner Gebühr; keine Lauteverwechſelung von b und p, d und t (Sachſen), ch mit k (Leip¬ zig), g mit j (Brandenburg), g und j mit ch (Göt¬ tingen), e ſtatt a (Hannover); oa ſtatt a (Meck¬ lenburg); kein Zuſammenziehn der Dop¬ pellaute; kein Schnarren; kein Ziſchen der Liſpellaute ſt, ſp, und ſ. Daß man ſol¬ che und noch eingewurzeltere Unarten ſich abge¬ wöhnen kann, iſt Demoſthenes ein Beiſpiel. Nur

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Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/219>, abgerufen am 23.11.2024.