veranstaltet hat, und jetzt Stolz, oder doch Mo¬ de, und Gewinnsucht erhalten." (Michaelis Mosaisches Recht. 4 Theil. §. 215.) "Gott wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht" (Apostelgeschichte 17. V. 24.) -- das wissen wir alle; aber wir wohnen in Häusern, und wollen uns auch in Häusern erbauen. Dem Zweck müssen sie angepaßt werden, Bildergallerien sol¬ len sie freilich nicht sein; aber besser bleibt doch ein geschmackvoller Wandschmuck, als ange¬ schmiedete, oder angenagelte Ärgernisse. Die aufgehangenen, schwebenden Klötze statt der Tauf¬ steine sind spät aufgekommen; in seinen Tauf¬ predigten sagt Neumeister (Hamburg 1731): "Jn etlichen Jahren bisher hat man an unter¬ schiedlichen Orten angefangen von Holz gebilde¬ te und in der Luft schwebende Engel anstatt der Taufsteine zu gebrauchen." Klecksereien die für Gemählde gelten sollen, Schnitzeleien um die Dreieinigkeit zu versinnlichen, hölzerne und stei¬ nerne Zerrbilder, Schwalbennester, Spinngewe¬ be, Fledermäuse, Eulen gehören nicht hinein -- und am wenigsten die Todten. Verwesen muß der Mensch, die Natur will ihr Recht! Aber
veranſtaltet hat, und jetzt Stolz, oder doch Mo¬ de, und Gewinnſucht erhalten.“ (Michaelis Moſaiſches Recht. 4 Theil. §. 215.) „Gott wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht“ (Apoſtelgeſchichte 17. V. 24.) — das wiſſen wir alle; aber wir wohnen in Häuſern, und wollen uns auch in Häuſern erbauen. Dem Zweck müſſen ſie angepaßt werden, Bildergallerien ſol¬ len ſie freilich nicht ſein; aber beſſer bleibt doch ein geſchmackvoller Wandſchmuck, als ange¬ ſchmiedete, oder angenagelte Ärgerniſſe. Die aufgehangenen, ſchwebenden Klötze ſtatt der Tauf¬ ſteine ſind ſpät aufgekommen; in ſeinen Tauf¬ predigten ſagt Neumeiſter (Hamburg 1731): „Jn etlichen Jahren bisher hat man an unter¬ ſchiedlichen Orten angefangen von Holz gebilde¬ te und in der Luft ſchwebende Engel anſtatt der Taufſteine zu gebrauchen.“ Kleckſereien die für Gemählde gelten ſollen, Schnitzeleien um die Dreieinigkeit zu verſinnlichen, hölzerne und ſtei¬ nerne Zerrbilder, Schwalbenneſter, Spinngewe¬ be, Fledermäuſe, Eulen gehören nicht hinein — und am wenigſten die Todten. Verweſen muß der Menſch, die Natur will ihr Recht! Aber
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veranſtaltet hat, und jetzt Stolz, oder doch Mo¬
de, und Gewinnſucht erhalten.“ (Michaelis
Moſaiſches Recht. 4 Theil. §. 215.) „Gott
wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht“
(Apoſtelgeſchichte 17. V. 24.) — das wiſſen wir
alle; aber wir wohnen in Häuſern, und wollen
uns auch in Häuſern erbauen. Dem Zweck
müſſen ſie angepaßt werden, Bildergallerien ſol¬
len ſie freilich nicht ſein; aber beſſer bleibt doch
ein geſchmackvoller Wandſchmuck, als ange¬
ſchmiedete, oder angenagelte Ärgerniſſe. Die
aufgehangenen, ſchwebenden Klötze ſtatt der Tauf¬
ſteine ſind ſpät aufgekommen; in ſeinen Tauf¬
predigten ſagt Neumeiſter (Hamburg 1731):
„Jn etlichen Jahren bisher hat man an unter¬
ſchiedlichen Orten angefangen von Holz gebilde¬
te und in der Luft ſchwebende Engel anſtatt der
Taufſteine zu gebrauchen.“ Kleckſereien die für
Gemählde gelten ſollen, Schnitzeleien um die
Dreieinigkeit zu verſinnlichen, hölzerne und ſtei¬
nerne Zerrbilder, Schwalbenneſter, Spinngewe¬
be, Fledermäuſe, Eulen gehören nicht hinein —
und am wenigſten die Todten. Verweſen muß
der Menſch, die Natur will ihr Recht! Aber
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Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/163>, abgerufen am 22.11.2024.
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