Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

der Gelehrte zu leicht, die Wissenschaft wird
gemeines Tagewerk, der Vortrag gemächli¬
ches Heftoffenbaren; wo jeder Paragraph mit
jüdischem Wucher angebracht wird, und die Zu¬
hörer endlich ein gedankenloser Nachschreiberpö¬
bel werden. Die Zunftgelehrten haben nicht so
wohl neugebaut, sondern immerfort das ein¬
mahl Urbare nachhaltig und neuträchtig gehal¬
ten; oft aber auch auf immer ausgemärgelt.
Raummacher, und Bahnbrecher waren
dann immer die Freigelehrten, wie die ver¬
storbenen Bülow, Herder, Klopstock, Lessing, Jo¬
hannes Müller, Schiller, Winkelmann, und die
noch lebenden Arndt, Bährenhorst, Göthe, Hum¬
boldt, Pestalozzi, Thaer, Schlegel, Voß, und
Werner zu Freyberg.

Auch stehen die Lehrer noch immer zu lan¬
ge auf den Lehrerstühlen; wenn sie nicht mehr
vorwärts gehen können, müssen sie mit einer Eh¬
renbesoldung in den Ruhestand. Gelehrte wol¬
len freilich ungern ins Altentheil; denn ein ge¬
lehrter Zunftmeister ist ein Alleinherrscher, oft
ein Alleinrechthaber, darum halten sie das Ent¬
kathedern für eine Entthronung. Aber ihr Von¬

F

der Gelehrte zu leicht, die Wiſſenſchaft wird
gemeines Tagewerk, der Vortrag gemächli¬
ches Heftoffenbaren; wo jeder Paragraph mit
jüdiſchem Wucher angebracht wird, und die Zu¬
hörer endlich ein gedankenloſer Nachſchreiberpö¬
bel werden. Die Zunftgelehrten haben nicht ſo
wohl neugebaut, ſondern immerfort das ein¬
mahl Urbare nachhaltig und neuträchtig gehal¬
ten; oft aber auch auf immer ausgemärgelt.
Raummacher, und Bahnbrecher waren
dann immer die Freigelehrten, wie die ver¬
ſtorbenen Bülow, Herder, Klopſtock, Leſſing, Jo¬
hannes Müller, Schiller, Winkelmann, und die
noch lebenden Arndt, Bährenhorſt, Göthe, Hum¬
boldt, Peſtalozzi, Thaer, Schlegel, Voß, und
Werner zu Freyberg.

Auch ſtehen die Lehrer noch immer zu lan¬
ge auf den Lehrerſtühlen; wenn ſie nicht mehr
vorwärts gehen können, müſſen ſie mit einer Eh¬
renbeſoldung in den Ruheſtand. Gelehrte wol¬
len freilich ungern ins Altentheil; denn ein ge¬
lehrter Zunftmeiſter iſt ein Alleinherrſcher, oft
ein Alleinrechthaber, darum halten ſie das Ent¬
kathedern für eine Entthronung. Aber ihr Von¬

F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0111" n="81"/><fw type="pageNum" place="top">81<lb/></fw>der Gelehrte zu leicht, die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft wird<lb/>
gemeines Tagewerk, der Vortrag gemächli¬<lb/>
ches Heftoffenbaren; wo jeder Paragraph mit<lb/>
jüdi&#x017F;chem Wucher angebracht wird, und die Zu¬<lb/>
hörer endlich ein gedankenlo&#x017F;er Nach&#x017F;chreiberpö¬<lb/>
bel werden. Die Zunftgelehrten haben nicht &#x017F;o<lb/>
wohl neugebaut, &#x017F;ondern immerfort das ein¬<lb/>
mahl Urbare nachhaltig und neuträchtig gehal¬<lb/>
ten; oft aber auch auf immer ausgemärgelt.<lb/><hi rendition="#g">Raummacher</hi>, und <hi rendition="#g">Bahnbrecher</hi> waren<lb/>
dann immer die <hi rendition="#g">Freigelehrten</hi>, wie die ver¬<lb/>
&#x017F;torbenen Bülow, Herder, Klop&#x017F;tock, Le&#x017F;&#x017F;ing, Jo¬<lb/>
hannes Müller, Schiller, Winkelmann, und die<lb/>
noch lebenden Arndt, Bährenhor&#x017F;t, Göthe, Hum¬<lb/>
boldt, Pe&#x017F;talozzi, Thaer, Schlegel, Voß, und<lb/>
Werner zu Freyberg.</p><lb/>
          <p>Auch &#x017F;tehen die Lehrer noch immer zu lan¬<lb/>
ge auf den Lehrer&#x017F;tühlen; wenn &#x017F;ie nicht mehr<lb/>
vorwärts gehen können, mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie mit einer Eh¬<lb/>
renbe&#x017F;oldung in den Ruhe&#x017F;tand. Gelehrte wol¬<lb/>
len freilich ungern ins Altentheil; denn ein ge¬<lb/>
lehrter Zunftmei&#x017F;ter i&#x017F;t ein Alleinherr&#x017F;cher, oft<lb/>
ein Alleinrechthaber, darum halten &#x017F;ie das Ent¬<lb/>
kathedern für eine Entthronung. Aber ihr Von¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0111] 81 der Gelehrte zu leicht, die Wiſſenſchaft wird gemeines Tagewerk, der Vortrag gemächli¬ ches Heftoffenbaren; wo jeder Paragraph mit jüdiſchem Wucher angebracht wird, und die Zu¬ hörer endlich ein gedankenloſer Nachſchreiberpö¬ bel werden. Die Zunftgelehrten haben nicht ſo wohl neugebaut, ſondern immerfort das ein¬ mahl Urbare nachhaltig und neuträchtig gehal¬ ten; oft aber auch auf immer ausgemärgelt. Raummacher, und Bahnbrecher waren dann immer die Freigelehrten, wie die ver¬ ſtorbenen Bülow, Herder, Klopſtock, Leſſing, Jo¬ hannes Müller, Schiller, Winkelmann, und die noch lebenden Arndt, Bährenhorſt, Göthe, Hum¬ boldt, Peſtalozzi, Thaer, Schlegel, Voß, und Werner zu Freyberg. Auch ſtehen die Lehrer noch immer zu lan¬ ge auf den Lehrerſtühlen; wenn ſie nicht mehr vorwärts gehen können, müſſen ſie mit einer Eh¬ renbeſoldung in den Ruheſtand. Gelehrte wol¬ len freilich ungern ins Altentheil; denn ein ge¬ lehrter Zunftmeiſter iſt ein Alleinherrſcher, oft ein Alleinrechthaber, darum halten ſie das Ent¬ kathedern für eine Entthronung. Aber ihr Von¬ F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/111
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/111>, abgerufen am 21.11.2024.