Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810.

Bild:
<< vorherige Seite

Klausner-Absonderung von der bürgerlichen Ge¬
sellschaft. Weil aber bloß durch Zuhörer, die
zu Jüngern herangezogen sind, die Lehre gleich
werkthätig ins Leben eingreifen kann: So ist
im hohen Getriebe der Wissenschaft nicht Wahr¬
heit die einzige Feder; und Zunftgeist, und son¬
stige Leidenschaft, Wahn und Vorurtheil erre¬
gen Erscheinungen, gleich schädlich für Wissen¬
schaft, Volksthum und Menschheit.

Jm Staate zu einem besondern Gemein¬
wesen aneinander geschlossen, würken die Lehrer
zu einsiedlerisch; sind sich bis zum Verirren die
Schüler überlassen: Und es haben die Lehrer
ewigen Krieg, und die Lerner ewige Fehden.
Das Mißverständniß einseitiger Gelahrtheit,
und einseitiger Geschäftsverwaltung muß aufhö¬
ren. Wenn die Wissenschaften auch Himmels¬
töchter sind, so müssen sie dennoch auf der Erde
wandeln lernen.

Mit jeder Hochschule muß eine Gesellschaft
der Wissenschaften verbunden sein, und dazu
Männer gehören, die gerade nicht alle auf Leh¬
rerstühlen stehen, oder dort eingezünftet sind.
Bei der bloßen zünftigen Gelahrtheit verbauert

der

Klausner-Abſonderung von der bürgerlichen Ge¬
ſellſchaft. Weil aber bloß durch Zuhörer, die
zu Jüngern herangezogen ſind, die Lehre gleich
werkthätig ins Leben eingreifen kann: So iſt
im hohen Getriebe der Wiſſenſchaft nicht Wahr¬
heit die einzige Feder; und Zunftgeiſt, und ſon¬
ſtige Leidenſchaft, Wahn und Vorurtheil erre¬
gen Erſcheinungen, gleich ſchädlich für Wiſſen¬
ſchaft, Volksthum und Menſchheit.

Jm Staate zu einem beſondern Gemein¬
weſen aneinander geſchloſſen, würken die Lehrer
zu einſiedleriſch; ſind ſich bis zum Verirren die
Schüler überlaſſen: Und es haben die Lehrer
ewigen Krieg, und die Lerner ewige Fehden.
Das Mißverſtändniß einſeitiger Gelahrtheit,
und einſeitiger Geſchäftsverwaltung muß aufhö¬
ren. Wenn die Wiſſenſchaften auch Himmels¬
töchter ſind, ſo müſſen ſie dennoch auf der Erde
wandeln lernen.

Mit jeder Hochſchule muß eine Geſellſchaft
der Wiſſenſchaften verbunden ſein, und dazu
Männer gehören, die gerade nicht alle auf Leh¬
rerſtühlen ſtehen, oder dort eingezünftet ſind.
Bei der bloßen zünftigen Gelahrtheit verbauert

der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0110" n="80"/><fw type="pageNum" place="top">80<lb/></fw>Klausner-Ab&#x017F;onderung von der bürgerlichen Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft. Weil aber bloß durch Zuhörer, die<lb/>
zu Jüngern herangezogen &#x017F;ind, die Lehre gleich<lb/>
werkthätig ins Leben eingreifen kann: So i&#x017F;t<lb/>
im hohen Getriebe der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nicht Wahr¬<lb/>
heit die einzige Feder; und Zunftgei&#x017F;t, und &#x017F;on¬<lb/>
&#x017F;tige Leiden&#x017F;chaft, Wahn und Vorurtheil erre¬<lb/>
gen Er&#x017F;cheinungen, gleich &#x017F;chädlich für Wi&#x017F;&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;chaft, Volksthum und Men&#x017F;chheit.</p><lb/>
          <p>Jm Staate zu einem be&#x017F;ondern Gemein¬<lb/>
we&#x017F;en aneinander ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, würken die Lehrer<lb/>
zu ein&#x017F;iedleri&#x017F;ch; &#x017F;ind &#x017F;ich bis zum Verirren die<lb/>
Schüler überla&#x017F;&#x017F;en: Und es haben die Lehrer<lb/>
ewigen Krieg, und die Lerner ewige Fehden.<lb/>
Das Mißver&#x017F;tändniß ein&#x017F;eitiger Gelahrtheit,<lb/>
und ein&#x017F;eitiger Ge&#x017F;chäftsverwaltung muß aufhö¬<lb/>
ren. Wenn die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften auch Himmels¬<lb/>
töchter &#x017F;ind, &#x017F;o mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie dennoch auf der Erde<lb/>
wandeln lernen.</p><lb/>
          <p>Mit jeder Hoch&#x017F;chule muß eine Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften verbunden &#x017F;ein, und dazu<lb/>
Männer gehören, die gerade nicht alle auf Leh¬<lb/>
rer&#x017F;tühlen &#x017F;tehen, oder dort eingezünftet &#x017F;ind.<lb/>
Bei der bloßen zünftigen Gelahrtheit verbauert<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#right">der</hi><lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0110] 80 Klausner-Abſonderung von der bürgerlichen Ge¬ ſellſchaft. Weil aber bloß durch Zuhörer, die zu Jüngern herangezogen ſind, die Lehre gleich werkthätig ins Leben eingreifen kann: So iſt im hohen Getriebe der Wiſſenſchaft nicht Wahr¬ heit die einzige Feder; und Zunftgeiſt, und ſon¬ ſtige Leidenſchaft, Wahn und Vorurtheil erre¬ gen Erſcheinungen, gleich ſchädlich für Wiſſen¬ ſchaft, Volksthum und Menſchheit. Jm Staate zu einem beſondern Gemein¬ weſen aneinander geſchloſſen, würken die Lehrer zu einſiedleriſch; ſind ſich bis zum Verirren die Schüler überlaſſen: Und es haben die Lehrer ewigen Krieg, und die Lerner ewige Fehden. Das Mißverſtändniß einſeitiger Gelahrtheit, und einſeitiger Geſchäftsverwaltung muß aufhö¬ ren. Wenn die Wiſſenſchaften auch Himmels¬ töchter ſind, ſo müſſen ſie dennoch auf der Erde wandeln lernen. Mit jeder Hochſchule muß eine Geſellſchaft der Wiſſenſchaften verbunden ſein, und dazu Männer gehören, die gerade nicht alle auf Leh¬ rerſtühlen ſtehen, oder dort eingezünftet ſind. Bei der bloßen zünftigen Gelahrtheit verbauert der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/110
Zitationshilfe: Jahn, Friedrich Ludwig: Deutsches Volksthum. Lübeck, 1810, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jahn_volksthum_1810/110>, abgerufen am 21.11.2024.