noch eine Staatsursache, warum sie den Götzendienst errichteten. Sie fürchteten nämlich, ihr Volk möchte sich zu den Königen Juda wieder wenden, wenn sie des Gottes- dienstes wegen nach Jerusalem gehen müß- ten *). Wenn nun ein grosser Abfall geschah, so fiel alle bürgerliche Strafe der Untreue hinweg. Gott begegnete alsdenn diesem Ue- bel mit dem allerweisesten Mittel. Wenn nämlich die Jsraeliten bey andern Göttern ihr Glück suchten, so machte er sie am aller- unglücklichsten. Er ließ Hunger und Pest unter sie kommen, er übergab sie ihren Fein- den, und ließ sie empfinden, daß sie ver- geblich auf die Hülfe eines Götzen hoffeten. Wenn sie sich denn ganz hülfloß und ver- lassen sahen, so suchten sie den Herrn den lebendigen Gott wieder. Nahm er sich denn ihrer von neuen an, und ließ es ih- nen eine Zeitlang wieder wol gehen, so ver- gassen sie nach und nach der vorigen Zei- ten, und wurden der Regierung des ei- nigen Gottes wieder überdrüßig, druckten und tödteten die Propheten des Herrn, und suchten abermahls fremde und todte Götter, und nöthigten den Allmächtigen, ihnen von neuen zu zeigen, daß ausser ihm kein Gott sey. Und wer hätte denken sollen, daß mehr den tausend Jahre dazu gehöret, ehe die Erkänntniß und Verehrung des einigen
lebendigen
*) 1 B. Kön. Cap. 12. v. 26-29.
noch eine Staatsurſache, warum ſie den Goͤtzendienſt errichteten. Sie fuͤrchteten naͤmlich, ihr Volk moͤchte ſich zu den Koͤnigen Juda wieder wenden, wenn ſie des Gottes- dienſtes wegen nach Jeruſalem gehen muͤß- ten *). Wenn nun ein groſſer Abfall geſchah, ſo fiel alle buͤrgerliche Strafe der Untreue hinweg. Gott begegnete alsdenn dieſem Ue- bel mit dem allerweiſeſten Mittel. Wenn naͤmlich die Jſraeliten bey andern Goͤttern ihr Gluͤck ſuchten, ſo machte er ſie am aller- ungluͤcklichſten. Er ließ Hunger und Peſt unter ſie kommen, er uͤbergab ſie ihren Fein- den, und ließ ſie empfinden, daß ſie ver- geblich auf die Huͤlfe eines Goͤtzen hoffeten. Wenn ſie ſich denn ganz huͤlfloß und ver- laſſen ſahen, ſo ſuchten ſie den Herrn den lebendigen Gott wieder. Nahm er ſich denn ihrer von neuen an, und ließ es ih- nen eine Zeitlang wieder wol gehen, ſo ver- gaſſen ſie nach und nach der vorigen Zei- ten, und wurden der Regierung des ei- nigen Gottes wieder uͤberdruͤßig, druckten und toͤdteten die Propheten des Herrn, und ſuchten abermahls fremde und todte Goͤtter, und noͤthigten den Allmaͤchtigen, ihnen von neuen zu zeigen, daß auſſer ihm kein Gott ſey. Und wer haͤtte denken ſollen, daß mehr den tauſend Jahre dazu gehoͤret, ehe die Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen
lebendigen
*) 1 B. Koͤn. Cap. 12. v. 26-29.
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noch eine Staatsurſache, warum ſie den
Goͤtzendienſt errichteten. Sie fuͤrchteten
naͤmlich, ihr Volk moͤchte ſich zu den Koͤnigen
Juda wieder wenden, wenn ſie des Gottes-
dienſtes wegen nach Jeruſalem gehen muͤß-
ten *). Wenn nun ein groſſer Abfall geſchah,
ſo fiel alle buͤrgerliche Strafe der Untreue
hinweg. Gott begegnete alsdenn dieſem Ue-
bel mit dem allerweiſeſten Mittel. Wenn
naͤmlich die Jſraeliten bey andern Goͤttern
ihr Gluͤck ſuchten, ſo machte er ſie am aller-
ungluͤcklichſten. Er ließ Hunger und Peſt
unter ſie kommen, er uͤbergab ſie ihren Fein-
den, und ließ ſie empfinden, daß ſie ver-
geblich auf die Huͤlfe eines Goͤtzen hoffeten.
Wenn ſie ſich denn ganz huͤlfloß und ver-
laſſen ſahen, ſo ſuchten ſie den Herrn den
lebendigen Gott wieder. Nahm er ſich
denn ihrer von neuen an, und ließ es ih-
nen eine Zeitlang wieder wol gehen, ſo ver-
gaſſen ſie nach und nach der vorigen Zei-
ten, und wurden der Regierung des ei-
nigen Gottes wieder uͤberdruͤßig, druckten
und toͤdteten die Propheten des Herrn, und
ſuchten abermahls fremde und todte Goͤtter,
und noͤthigten den Allmaͤchtigen, ihnen von
neuen zu zeigen, daß auſſer ihm kein Gott
ſey. Und wer haͤtte denken ſollen, daß
mehr den tauſend Jahre dazu gehoͤret, ehe
die Erkaͤnntniß und Verehrung des einigen
lebendigen
*) 1 B. Koͤn. Cap. 12. v. 26-29.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/96>, abgerufen am 25.11.2024.
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