Ja, was mich am mehresten befremdet, ich sehe die neuen Völkerschaften, bis auf ein einziges Geschlecht nach und nach in die tiefsten Finsternissen und in die thörigste und schändlichste Abgötterey verfallen, und das Licht der Erkänntniß des wahren Got- tes erst untergehen, ehe es wieder aus den tiefsten Schatten hervorbricht und seine Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach und nach wieder über den Erdboden ver- breitet. Jst Gott an seiner Erkänntniß und Verehrung so viel gelegen, daß er nicht nur so manchen Propheten, sondern so gar seinen Sohn die verfinsterte Welt zu erleuch- ten in selbige sendet und sie in dieser Absicht der Verfolgung der Welt aussetzet: ist mit dieser Erkänntniß ein ewiges Heil ver- bunden; warum hat denn Gott die Welt in die gröbste Unwissenheit und Aberglau- ben verfallen lassen, und sich ihrer erst nach- her mit so grossen Anstalten und vielen Wundern angenommen? Eine Frage, die so wol mich, als auch viele meiner Freun- de und nachdenkenden Zuhörer je zu Zei- ten in eine ängstliche Unruhe gesetzet. Jch bekenne es hiermit öffentlich, daß meine Einsichten viel zu schwach, die Tiefen der Rathschlüsse Gottes so zu erreichen, daß alle beunruhigende Zweifel gänzlich ver- schwänden und der Glaube mit selbigen niemahls mehr zu kämpfen hätte. Jndes- sen habe ich doch, indem ich Gott auf den
Wegen
C 2
Ja, was mich am mehreſten befremdet, ich ſehe die neuen Voͤlkerſchaften, bis auf ein einziges Geſchlecht nach und nach in die tiefſten Finſterniſſen und in die thoͤrigſte und ſchaͤndlichſte Abgoͤtterey verfallen, und das Licht der Erkaͤnntniß des wahren Got- tes erſt untergehen, ehe es wieder aus den tiefſten Schatten hervorbricht und ſeine Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach und nach wieder uͤber den Erdboden ver- breitet. Jſt Gott an ſeiner Erkaͤnntniß und Verehrung ſo viel gelegen, daß er nicht nur ſo manchen Propheten, ſondern ſo gar ſeinen Sohn die verfinſterte Welt zu erleuch- ten in ſelbige ſendet und ſie in dieſer Abſicht der Verfolgung der Welt ausſetzet: iſt mit dieſer Erkaͤnntniß ein ewiges Heil ver- bunden; warum hat denn Gott die Welt in die groͤbſte Unwiſſenheit und Aberglau- ben verfallen laſſen, und ſich ihrer erſt nach- her mit ſo groſſen Anſtalten und vielen Wundern angenommen? Eine Frage, die ſo wol mich, als auch viele meiner Freun- de und nachdenkenden Zuhoͤrer je zu Zei- ten in eine aͤngſtliche Unruhe geſetzet. Jch bekenne es hiermit oͤffentlich, daß meine Einſichten viel zu ſchwach, die Tiefen der Rathſchluͤſſe Gottes ſo zu erreichen, daß alle beunruhigende Zweifel gaͤnzlich ver- ſchwaͤnden und der Glaube mit ſelbigen niemahls mehr zu kaͤmpfen haͤtte. Jndeſ- ſen habe ich doch, indem ich Gott auf den
Wegen
C 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0055"n="35"/>
Ja, was mich am mehreſten befremdet,<lb/>
ich ſehe die neuen Voͤlkerſchaften, bis auf<lb/>
ein einziges Geſchlecht nach und nach in die<lb/>
tiefſten Finſterniſſen und in die thoͤrigſte<lb/>
und ſchaͤndlichſte Abgoͤtterey verfallen, und<lb/>
das Licht der Erkaͤnntniß des wahren Got-<lb/>
tes erſt untergehen, ehe es wieder aus den<lb/>
tiefſten Schatten hervorbricht und ſeine<lb/>
Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach<lb/>
und nach wieder uͤber den Erdboden ver-<lb/>
breitet. Jſt Gott an ſeiner Erkaͤnntniß und<lb/>
Verehrung ſo viel gelegen, daß er nicht<lb/>
nur ſo manchen Propheten, ſondern ſo gar<lb/>ſeinen Sohn die verfinſterte Welt zu erleuch-<lb/>
ten in ſelbige ſendet und ſie in dieſer Abſicht<lb/>
der Verfolgung der Welt ausſetzet: iſt<lb/>
mit dieſer Erkaͤnntniß ein ewiges Heil ver-<lb/>
bunden; warum hat denn Gott die Welt<lb/>
in die groͤbſte Unwiſſenheit und Aberglau-<lb/>
ben verfallen laſſen, und ſich ihrer erſt nach-<lb/>
her mit ſo groſſen Anſtalten und vielen<lb/>
Wundern angenommen? Eine Frage, die<lb/>ſo wol mich, als auch viele meiner Freun-<lb/>
de und nachdenkenden Zuhoͤrer je zu Zei-<lb/>
ten in eine aͤngſtliche Unruhe geſetzet. Jch<lb/>
bekenne es hiermit oͤffentlich, daß meine<lb/>
Einſichten viel zu ſchwach, die Tiefen der<lb/>
Rathſchluͤſſe Gottes ſo zu erreichen, daß<lb/>
alle beunruhigende Zweifel gaͤnzlich ver-<lb/>ſchwaͤnden und der Glaube mit ſelbigen<lb/>
niemahls mehr zu kaͤmpfen haͤtte. Jndeſ-<lb/>ſen habe ich doch, indem ich Gott auf den<lb/><fwplace="bottom"type="sig">C 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Wegen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[35/0055]
Ja, was mich am mehreſten befremdet,
ich ſehe die neuen Voͤlkerſchaften, bis auf
ein einziges Geſchlecht nach und nach in die
tiefſten Finſterniſſen und in die thoͤrigſte
und ſchaͤndlichſte Abgoͤtterey verfallen, und
das Licht der Erkaͤnntniß des wahren Got-
tes erſt untergehen, ehe es wieder aus den
tiefſten Schatten hervorbricht und ſeine
Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach
und nach wieder uͤber den Erdboden ver-
breitet. Jſt Gott an ſeiner Erkaͤnntniß und
Verehrung ſo viel gelegen, daß er nicht
nur ſo manchen Propheten, ſondern ſo gar
ſeinen Sohn die verfinſterte Welt zu erleuch-
ten in ſelbige ſendet und ſie in dieſer Abſicht
der Verfolgung der Welt ausſetzet: iſt
mit dieſer Erkaͤnntniß ein ewiges Heil ver-
bunden; warum hat denn Gott die Welt
in die groͤbſte Unwiſſenheit und Aberglau-
ben verfallen laſſen, und ſich ihrer erſt nach-
her mit ſo groſſen Anſtalten und vielen
Wundern angenommen? Eine Frage, die
ſo wol mich, als auch viele meiner Freun-
de und nachdenkenden Zuhoͤrer je zu Zei-
ten in eine aͤngſtliche Unruhe geſetzet. Jch
bekenne es hiermit oͤffentlich, daß meine
Einſichten viel zu ſchwach, die Tiefen der
Rathſchluͤſſe Gottes ſo zu erreichen, daß
alle beunruhigende Zweifel gaͤnzlich ver-
ſchwaͤnden und der Glaube mit ſelbigen
niemahls mehr zu kaͤmpfen haͤtte. Jndeſ-
ſen habe ich doch, indem ich Gott auf den
Wegen
C 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/55>, abgerufen am 03.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.