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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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Ja, was mich am mehresten befremdet,
ich sehe die neuen Völkerschaften, bis auf
ein einziges Geschlecht nach und nach in die
tiefsten Finsternissen und in die thörigste
und schändlichste Abgötterey verfallen, und
das Licht der Erkänntniß des wahren Got-
tes erst untergehen, ehe es wieder aus den
tiefsten Schatten hervorbricht und seine
Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach
und nach wieder über den Erdboden ver-
breitet. Jst Gott an seiner Erkänntniß und
Verehrung so viel gelegen, daß er nicht
nur so manchen Propheten, sondern so gar
seinen Sohn die verfinsterte Welt zu erleuch-
ten in selbige sendet und sie in dieser Absicht
der Verfolgung der Welt aussetzet: ist
mit dieser Erkänntniß ein ewiges Heil ver-
bunden; warum hat denn Gott die Welt
in die gröbste Unwissenheit und Aberglau-
ben verfallen lassen, und sich ihrer erst nach-
her mit so grossen Anstalten und vielen
Wundern angenommen? Eine Frage, die
so wol mich, als auch viele meiner Freun-
de und nachdenkenden Zuhörer je zu Zei-
ten in eine ängstliche Unruhe gesetzet. Jch
bekenne es hiermit öffentlich, daß meine
Einsichten viel zu schwach, die Tiefen der
Rathschlüsse Gottes so zu erreichen, daß
alle beunruhigende Zweifel gänzlich ver-
schwänden und der Glaube mit selbigen
niemahls mehr zu kämpfen hätte. Jndes-
sen habe ich doch, indem ich Gott auf den

Wegen
C 2

Ja, was mich am mehreſten befremdet,
ich ſehe die neuen Voͤlkerſchaften, bis auf
ein einziges Geſchlecht nach und nach in die
tiefſten Finſterniſſen und in die thoͤrigſte
und ſchaͤndlichſte Abgoͤtterey verfallen, und
das Licht der Erkaͤnntniß des wahren Got-
tes erſt untergehen, ehe es wieder aus den
tiefſten Schatten hervorbricht und ſeine
Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach
und nach wieder uͤber den Erdboden ver-
breitet. Jſt Gott an ſeiner Erkaͤnntniß und
Verehrung ſo viel gelegen, daß er nicht
nur ſo manchen Propheten, ſondern ſo gar
ſeinen Sohn die verfinſterte Welt zu erleuch-
ten in ſelbige ſendet und ſie in dieſer Abſicht
der Verfolgung der Welt ausſetzet: iſt
mit dieſer Erkaͤnntniß ein ewiges Heil ver-
bunden; warum hat denn Gott die Welt
in die groͤbſte Unwiſſenheit und Aberglau-
ben verfallen laſſen, und ſich ihrer erſt nach-
her mit ſo groſſen Anſtalten und vielen
Wundern angenommen? Eine Frage, die
ſo wol mich, als auch viele meiner Freun-
de und nachdenkenden Zuhoͤrer je zu Zei-
ten in eine aͤngſtliche Unruhe geſetzet. Jch
bekenne es hiermit oͤffentlich, daß meine
Einſichten viel zu ſchwach, die Tiefen der
Rathſchluͤſſe Gottes ſo zu erreichen, daß
alle beunruhigende Zweifel gaͤnzlich ver-
ſchwaͤnden und der Glaube mit ſelbigen
niemahls mehr zu kaͤmpfen haͤtte. Jndeſ-
ſen habe ich doch, indem ich Gott auf den

Wegen
C 2
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[35/0055] Ja, was mich am mehreſten befremdet, ich ſehe die neuen Voͤlkerſchaften, bis auf ein einziges Geſchlecht nach und nach in die tiefſten Finſterniſſen und in die thoͤrigſte und ſchaͤndlichſte Abgoͤtterey verfallen, und das Licht der Erkaͤnntniß des wahren Got- tes erſt untergehen, ehe es wieder aus den tiefſten Schatten hervorbricht und ſeine Strahlen, wie eine aufgehende Sonne nach und nach wieder uͤber den Erdboden ver- breitet. Jſt Gott an ſeiner Erkaͤnntniß und Verehrung ſo viel gelegen, daß er nicht nur ſo manchen Propheten, ſondern ſo gar ſeinen Sohn die verfinſterte Welt zu erleuch- ten in ſelbige ſendet und ſie in dieſer Abſicht der Verfolgung der Welt ausſetzet: iſt mit dieſer Erkaͤnntniß ein ewiges Heil ver- bunden; warum hat denn Gott die Welt in die groͤbſte Unwiſſenheit und Aberglau- ben verfallen laſſen, und ſich ihrer erſt nach- her mit ſo groſſen Anſtalten und vielen Wundern angenommen? Eine Frage, die ſo wol mich, als auch viele meiner Freun- de und nachdenkenden Zuhoͤrer je zu Zei- ten in eine aͤngſtliche Unruhe geſetzet. Jch bekenne es hiermit oͤffentlich, daß meine Einſichten viel zu ſchwach, die Tiefen der Rathſchluͤſſe Gottes ſo zu erreichen, daß alle beunruhigende Zweifel gaͤnzlich ver- ſchwaͤnden und der Glaube mit ſelbigen niemahls mehr zu kaͤmpfen haͤtte. Jndeſ- ſen habe ich doch, indem ich Gott auf den Wegen C 2

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/55>, abgerufen am 03.05.2024.