liches. Noch mehr, ein tauber Mensch, ob er gleich einen Laut von sich giebet, ma- chet, ohne daß man an ihm künstelt, nie- mahls ordentliche Sylben. Jene zwölf Kinder, welche der grosse Mogul in Jn- dien, Nahmens Ackebor einsperren und von stummen Personen zwölf Jahre war- ten lassen, haben binnen dieser ganzen Zeit keine Sylben und Worte machen gelernet, sondern alles mit Winken bezeichnet.* Soll ein Mensch diese Geschicklichkeit bekommen, so müssen ihm die ersten Worte sehr ofte vorgesaget werden, ehe die Sprachinstru- mente diejenige Stellung und Biegung an- nehmen, welche zu Sylben und Wörtern nöthig sind. Es ist folglich gar nicht aus- gemacht, ob Menschen jemahls Sylben und Wörter machen würden, wenn sie niemahls von einem, der schon einer Spra- che mächtig ist, dazu geübet würden. Wenigstens würde eine sehr lange Zeit hingehen, ehe die ersten tausend Wörter gemacht würden. Es äussert sich dabey noch eine Schwierigkeit. Der Mensch müßte bey den Dingen, die er erblickte, nicht nur heute ein gewisses Wort hervor- bringen, sondern auch Morgen noch wissen, daß er den vorigen Tag eben diesen und keinen andern Laut bey dieser und jener Sache gemacht hättte, und daher bey ei-
nerley
* Man schlage hierüber nach Vetr. 11. §. 7.
liches. Noch mehr, ein tauber Menſch, ob er gleich einen Laut von ſich giebet, ma- chet, ohne daß man an ihm kuͤnſtelt, nie- mahls ordentliche Sylben. Jene zwoͤlf Kinder, welche der groſſe Mogul in Jn- dien, Nahmens Ackebor einſperren und von ſtummen Perſonen zwoͤlf Jahre war- ten laſſen, haben binnen dieſer ganzen Zeit keine Sylben und Worte machen gelernet, ſondern alles mit Winken bezeichnet.* Soll ein Menſch dieſe Geſchicklichkeit bekommen, ſo muͤſſen ihm die erſten Worte ſehr ofte vorgeſaget werden, ehe die Sprachinſtru- mente diejenige Stellung und Biegung an- nehmen, welche zu Sylben und Woͤrtern noͤthig ſind. Es iſt folglich gar nicht aus- gemacht, ob Menſchen jemahls Sylben und Woͤrter machen wuͤrden, wenn ſie niemahls von einem, der ſchon einer Spra- che maͤchtig iſt, dazu geuͤbet wuͤrden. Wenigſtens wuͤrde eine ſehr lange Zeit hingehen, ehe die erſten tauſend Woͤrter gemacht wuͤrden. Es aͤuſſert ſich dabey noch eine Schwierigkeit. Der Menſch muͤßte bey den Dingen, die er erblickte, nicht nur heute ein gewiſſes Wort hervor- bringen, ſondern auch Morgen noch wiſſen, daß er den vorigen Tag eben dieſen und keinen andern Laut bey dieſer und jener Sache gemacht haͤttte, und daher bey ei-
nerley
* Man ſchlage hieruͤber nach Vetr. 11. §. 7.
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liches. Noch mehr, ein tauber Menſch, ob
er gleich einen Laut von ſich giebet, ma-
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mahls ordentliche Sylben. Jene zwoͤlf
Kinder, welche der groſſe Mogul in Jn-
dien, Nahmens Ackebor einſperren und
von ſtummen Perſonen zwoͤlf Jahre war-
ten laſſen, haben binnen dieſer ganzen Zeit
keine Sylben und Worte machen gelernet,
ſondern alles mit Winken bezeichnet. * Soll
ein Menſch dieſe Geſchicklichkeit bekommen,
ſo muͤſſen ihm die erſten Worte ſehr ofte
vorgeſaget werden, ehe die Sprachinſtru-
mente diejenige Stellung und Biegung an-
nehmen, welche zu Sylben und Woͤrtern
noͤthig ſind. Es iſt folglich gar nicht aus-
gemacht, ob Menſchen jemahls Sylben
und Woͤrter machen wuͤrden, wenn ſie
niemahls von einem, der ſchon einer Spra-
che maͤchtig iſt, dazu geuͤbet wuͤrden.
Wenigſtens wuͤrde eine ſehr lange Zeit
hingehen, ehe die erſten tauſend Woͤrter
gemacht wuͤrden. Es aͤuſſert ſich dabey
noch eine Schwierigkeit. Der Menſch
muͤßte bey den Dingen, die er erblickte,
nicht nur heute ein gewiſſes Wort hervor-
bringen, ſondern auch Morgen noch wiſſen,
daß er den vorigen Tag eben dieſen und
keinen andern Laut bey dieſer und jener
Sache gemacht haͤttte, und daher bey ei-
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* Man ſchlage hieruͤber nach Vetr. 11. §. 7.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/49>, abgerufen am 22.11.2024.
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