als von seinen Kindern und Enkeln. Es träget sich öfter zu, daß ein verarmter Vater wohlhabende Brüder und Vettern, als wohlhabende Kinder und Enkel hat. Ja zu Zeiten mußte ein solcher Vater mit Frau und Kindern sich verkaufen, wie aus 2 B. Mos. C. 21. v. 3. und 3 B. Mos. C. 25. v. 41 und 54. erhellet. Wenn man dieses bedenket, so sind in diesem Gesetze die Stuffen einer möglichen Lösung ganz rich- tig geordnet. Am ersten war zu erwar- ten, daß einen solchen Unglücklichen die Brüder, hernach ein Oheim oder dessen Kinder, alsdenn die eigenen Kinder und Enkel, und endlich er sich selber durch sehr starke Arbeit seiner Hände lösete, wenn er mehr arbeiten konnte, als man von einem Knechte zu fordern pflegte.
§. 8.
Fast alle Völker mei- den einige Verwand- schaft bey den Ehen.
Ehe ich wieder auf die Gesetze gegen die Ehen in naher Verwandschaft komme, muß folgendes aus der Geschichte anfüh- ren. Fast alle Völker, die mir wenig- stens näher bekannt worden, haben, und zwar von undenklichen Zeiten her, einige Verwandtschaften bey ihren Ehen vermie- den. So haben fast alle Völker, von welchen ich etwas gelesen, die Ehen zwi- schen leiblichen Eltern und Kindern für un- anständig gehalten. Die allermehresten enthalten sich auch der Ehen zwischen voll-
bürti-
als von ſeinen Kindern und Enkeln. Es traͤget ſich oͤfter zu, daß ein verarmter Vater wohlhabende Bruͤder und Vettern, als wohlhabende Kinder und Enkel hat. Ja zu Zeiten mußte ein ſolcher Vater mit Frau und Kindern ſich verkaufen, wie aus 2 B. Moſ. C. 21. v. 3. und 3 B. Moſ. C. 25. v. 41 und 54. erhellet. Wenn man dieſes bedenket, ſo ſind in dieſem Geſetze die Stuffen einer moͤglichen Loͤſung ganz rich- tig geordnet. Am erſten war zu erwar- ten, daß einen ſolchen Ungluͤcklichen die Bruͤder, hernach ein Oheim oder deſſen Kinder, alsdenn die eigenen Kinder und Enkel, und endlich er ſich ſelber durch ſehr ſtarke Arbeit ſeiner Haͤnde loͤſete, wenn er mehr arbeiten konnte, als man von einem Knechte zu fordern pflegte.
§. 8.
Faſt alle Voͤlker mei- den einige Verwand- ſchaft bey den Ehen.
Ehe ich wieder auf die Geſetze gegen die Ehen in naher Verwandſchaft komme, muß folgendes aus der Geſchichte anfuͤh- ren. Faſt alle Voͤlker, die mir wenig- ſtens naͤher bekannt worden, haben, und zwar von undenklichen Zeiten her, einige Verwandtſchaften bey ihren Ehen vermie- den. So haben faſt alle Voͤlker, von welchen ich etwas geleſen, die Ehen zwi- ſchen leiblichen Eltern und Kindern fuͤr un- anſtaͤndig gehalten. Die allermehreſten enthalten ſich auch der Ehen zwiſchen voll-
buͤrti-
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als von ſeinen Kindern und Enkeln. Es
traͤget ſich oͤfter zu, daß ein verarmter
Vater wohlhabende Bruͤder und Vettern,
als wohlhabende Kinder und Enkel hat.
Ja zu Zeiten mußte ein ſolcher Vater mit
Frau und Kindern ſich verkaufen, wie aus
2 B. Moſ. C. 21. v. 3. und 3 B. Moſ. C.
25. v. 41 und 54. erhellet. Wenn man
dieſes bedenket, ſo ſind in dieſem Geſetze die
Stuffen einer moͤglichen Loͤſung ganz rich-
tig geordnet. Am erſten war zu erwar-
ten, daß einen ſolchen Ungluͤcklichen die
Bruͤder, hernach ein Oheim oder deſſen
Kinder, alsdenn die eigenen Kinder und
Enkel, und endlich er ſich ſelber durch ſehr
ſtarke Arbeit ſeiner Haͤnde loͤſete, wenn er
mehr arbeiten konnte, als man von einem
Knechte zu fordern pflegte.
§. 8.
Ehe ich wieder auf die Geſetze gegen
die Ehen in naher Verwandſchaft komme,
muß folgendes aus der Geſchichte anfuͤh-
ren. Faſt alle Voͤlker, die mir wenig-
ſtens naͤher bekannt worden, haben, und
zwar von undenklichen Zeiten her, einige
Verwandtſchaften bey ihren Ehen vermie-
den. So haben faſt alle Voͤlker, von
welchen ich etwas geleſen, die Ehen zwi-
ſchen leiblichen Eltern und Kindern fuͤr un-
anſtaͤndig gehalten. Die allermehreſten
enthalten ſich auch der Ehen zwiſchen voll-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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