nes Vaters oder Mutter Stieftochter eben so nahe verwandt, als meines Vaters Brudern Frau. Meine Stiefschwester darf ich nach aller Geständniß ehelichen, diese letztere aber zu heirathen war den Jsrae- liten verbothen. Es ist noch eine Ursache vorhanden, warum ich das erste Gesetz im sechsten Verse nicht als den Grund der übrigen Gesetze gegen die Ehen in naher Verwandschaft ansehen kann, man mag die daselbst stehenden Worte von aller na- hen Verwandschaft, oder nur von nahen Blutsfreunden erklären. Denn sonst müßte hier bestimmet seyn, wie weit die Verwandschaft nahe genannt würde. Wenn dieses aber auch wäre, so möchte ich doch dem allerweisesten Wesen keine solche Art des Grundes seiner Gesetze bey- legen, die man einem menschlichen Gesetz- geber nicht zu gute halten würde. Was würden wir urtheilen, wenn jemand auf folgende Art die Wilddieberey verböthe. Niemand, als die dazu bestellten Jäger, soll irgend ein Wild erlegen. Nie- mand soll einen Hirsch erlegen, denn es ist ein Hirsch und folglich ein Wildpret. Niemand soll eine Sau erlegen, denn es ist ein schwarzes Wildpret. Niemand soll einen Hasen schiessen, denn es ist ein Hase. Niemand soll Rebhüner fangen oder schiessen, denn es sind wilde Hüner. Jch hasse es äusserst, wenn man bey Erör-
terung
Y 5
nes Vaters oder Mutter Stieftochter eben ſo nahe verwandt, als meines Vaters Brudern Frau. Meine Stiefſchweſter darf ich nach aller Geſtaͤndniß ehelichen, dieſe letztere aber zu heirathen war den Jſrae- liten verbothen. Es iſt noch eine Urſache vorhanden, warum ich das erſte Geſetz im ſechſten Verſe nicht als den Grund der uͤbrigen Geſetze gegen die Ehen in naher Verwandſchaft anſehen kann, man mag die daſelbſt ſtehenden Worte von aller na- hen Verwandſchaft, oder nur von nahen Blutsfreunden erklaͤren. Denn ſonſt muͤßte hier beſtimmet ſeyn, wie weit die Verwandſchaft nahe genannt wuͤrde. Wenn dieſes aber auch waͤre, ſo moͤchte ich doch dem allerweiſeſten Weſen keine ſolche Art des Grundes ſeiner Geſetze bey- legen, die man einem menſchlichen Geſetz- geber nicht zu gute halten wuͤrde. Was wuͤrden wir urtheilen, wenn jemand auf folgende Art die Wilddieberey verboͤthe. Niemand, als die dazu beſtellten Jaͤger, ſoll irgend ein Wild erlegen. Nie- mand ſoll einen Hirſch erlegen, denn es iſt ein Hirſch und folglich ein Wildpret. Niemand ſoll eine Sau erlegen, denn es iſt ein ſchwarzes Wildpret. Niemand ſoll einen Haſen ſchieſſen, denn es iſt ein Haſe. Niemand ſoll Rebhuͤner fangen oder ſchieſſen, denn es ſind wilde Huͤner. Jch haſſe es aͤuſſerſt, wenn man bey Eroͤr-
terung
Y 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0365"n="345"/>
nes Vaters oder Mutter Stieftochter eben<lb/>ſo nahe verwandt, als meines Vaters<lb/>
Brudern Frau. Meine Stiefſchweſter<lb/>
darf ich nach aller Geſtaͤndniß ehelichen,<lb/>
dieſe letztere aber zu heirathen war den Jſrae-<lb/>
liten verbothen. Es iſt noch eine Urſache<lb/>
vorhanden, warum ich das erſte Geſetz im<lb/>ſechſten Verſe nicht als den Grund der<lb/>
uͤbrigen Geſetze gegen die Ehen in naher<lb/>
Verwandſchaft anſehen kann, man mag<lb/>
die daſelbſt ſtehenden Worte von aller na-<lb/>
hen Verwandſchaft, oder nur von nahen<lb/>
Blutsfreunden erklaͤren. Denn ſonſt<lb/>
muͤßte hier beſtimmet ſeyn, wie weit die<lb/>
Verwandſchaft <hirendition="#fr">nahe</hi> genannt wuͤrde.<lb/>
Wenn dieſes aber auch waͤre, ſo moͤchte<lb/>
ich doch dem allerweiſeſten Weſen keine<lb/>ſolche Art des Grundes ſeiner Geſetze bey-<lb/>
legen, die man einem menſchlichen Geſetz-<lb/>
geber nicht zu gute halten wuͤrde. Was<lb/>
wuͤrden wir urtheilen, wenn jemand auf<lb/>
folgende Art die Wilddieberey verboͤthe.<lb/>
Niemand, als die dazu beſtellten Jaͤger,<lb/>ſoll irgend ein Wild erlegen. Nie-<lb/>
mand ſoll einen Hirſch erlegen, denn es<lb/>
iſt ein Hirſch und folglich ein Wildpret.<lb/>
Niemand ſoll eine Sau erlegen, denn es<lb/>
iſt ein ſchwarzes Wildpret. Niemand<lb/>ſoll einen Haſen ſchieſſen, denn es iſt ein<lb/>
Haſe. Niemand ſoll Rebhuͤner fangen<lb/>
oder ſchieſſen, denn es ſind wilde Huͤner.<lb/>
Jch haſſe es aͤuſſerſt, wenn man bey Eroͤr-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">terung</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0365]
nes Vaters oder Mutter Stieftochter eben
ſo nahe verwandt, als meines Vaters
Brudern Frau. Meine Stiefſchweſter
darf ich nach aller Geſtaͤndniß ehelichen,
dieſe letztere aber zu heirathen war den Jſrae-
liten verbothen. Es iſt noch eine Urſache
vorhanden, warum ich das erſte Geſetz im
ſechſten Verſe nicht als den Grund der
uͤbrigen Geſetze gegen die Ehen in naher
Verwandſchaft anſehen kann, man mag
die daſelbſt ſtehenden Worte von aller na-
hen Verwandſchaft, oder nur von nahen
Blutsfreunden erklaͤren. Denn ſonſt
muͤßte hier beſtimmet ſeyn, wie weit die
Verwandſchaft nahe genannt wuͤrde.
Wenn dieſes aber auch waͤre, ſo moͤchte
ich doch dem allerweiſeſten Weſen keine
ſolche Art des Grundes ſeiner Geſetze bey-
legen, die man einem menſchlichen Geſetz-
geber nicht zu gute halten wuͤrde. Was
wuͤrden wir urtheilen, wenn jemand auf
folgende Art die Wilddieberey verboͤthe.
Niemand, als die dazu beſtellten Jaͤger,
ſoll irgend ein Wild erlegen. Nie-
mand ſoll einen Hirſch erlegen, denn es
iſt ein Hirſch und folglich ein Wildpret.
Niemand ſoll eine Sau erlegen, denn es
iſt ein ſchwarzes Wildpret. Niemand
ſoll einen Haſen ſchieſſen, denn es iſt ein
Haſe. Niemand ſoll Rebhuͤner fangen
oder ſchieſſen, denn es ſind wilde Huͤner.
Jch haſſe es aͤuſſerſt, wenn man bey Eroͤr-
terung
Y 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/365>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.