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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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selbsten, weil sie weder viele Frauen kau-
fen noch ernähren können. Die Vorneh-
men und Reichen aber flohen damals den
Ehestand, und ergaben sich einer ungebun-
denen Wollust. Der Kaiser Augustus
fand die wenigsten Römischen Ritter ver-
heirathet, als er ihnen, die oben angeführ-
te Rede hielt *), und wie viele Anstalten
mußte man nicht machen, um überhaupt
die Bürger des Römischen Reichs zu ei-
nem ehelichen Leben aufzumuntern? Und
darf man wol zweifeln, daß andere Natio-
nen, so unter den Römern standen, dem-
jenigen gefolget, was sie an den vorneh-
men Römern sahen? Konnten selbige sich
aber kaum und nach vieler Ueberredung
erst entschliessen Eine Frau zu nehmen, so
wird die Vielweiberey in dem Römischen
Staate höchst selten gewesen seyn. Am
wenigsten aber wird sich dergleichen unter
denen gefunden haben, welche sich damals
zu einem Bischoffsamte gebrauchen lassen.
Die Vielweiberey ist in bevölkerten Rei-
chen überhaupt nur bey begüterten Perso-
nen, und daher größtentheils nur bey vor-
nehmen Bedienten des Staates und bey
reichen Kaufleuten möglich. Jst es aber
glaublich, daß sich leicht jemand von die-
sen in den damaligen für einen Christli-
chen Geistlichen so gefährlichen Zeiten wer-

de
*) Allgemeine Welthistorie Th. XII. S. 172.

ſelbſten, weil ſie weder viele Frauen kau-
fen noch ernaͤhren koͤnnen. Die Vorneh-
men und Reichen aber flohen damals den
Eheſtand, und ergaben ſich einer ungebun-
denen Wolluſt. Der Kaiſer Auguſtus
fand die wenigſten Roͤmiſchen Ritter ver-
heirathet, als er ihnen, die oben angefuͤhr-
te Rede hielt *), und wie viele Anſtalten
mußte man nicht machen, um uͤberhaupt
die Buͤrger des Roͤmiſchen Reichs zu ei-
nem ehelichen Leben aufzumuntern? Und
darf man wol zweifeln, daß andere Natio-
nen, ſo unter den Roͤmern ſtanden, dem-
jenigen gefolget, was ſie an den vorneh-
men Roͤmern ſahen? Konnten ſelbige ſich
aber kaum und nach vieler Ueberredung
erſt entſchlieſſen Eine Frau zu nehmen, ſo
wird die Vielweiberey in dem Roͤmiſchen
Staate hoͤchſt ſelten geweſen ſeyn. Am
wenigſten aber wird ſich dergleichen unter
denen gefunden haben, welche ſich damals
zu einem Biſchoffsamte gebrauchen laſſen.
Die Vielweiberey iſt in bevoͤlkerten Rei-
chen uͤberhaupt nur bey beguͤterten Perſo-
nen, und daher groͤßtentheils nur bey vor-
nehmen Bedienten des Staates und bey
reichen Kaufleuten moͤglich. Jſt es aber
glaublich, daß ſich leicht jemand von die-
ſen in den damaligen fuͤr einen Chriſtli-
chen Geiſtlichen ſo gefaͤhrlichen Zeiten wer-

de
*) Allgemeine Welthiſtorie Th. XII. S. 172.
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[331/0351] ſelbſten, weil ſie weder viele Frauen kau- fen noch ernaͤhren koͤnnen. Die Vorneh- men und Reichen aber flohen damals den Eheſtand, und ergaben ſich einer ungebun- denen Wolluſt. Der Kaiſer Auguſtus fand die wenigſten Roͤmiſchen Ritter ver- heirathet, als er ihnen, die oben angefuͤhr- te Rede hielt *), und wie viele Anſtalten mußte man nicht machen, um uͤberhaupt die Buͤrger des Roͤmiſchen Reichs zu ei- nem ehelichen Leben aufzumuntern? Und darf man wol zweifeln, daß andere Natio- nen, ſo unter den Roͤmern ſtanden, dem- jenigen gefolget, was ſie an den vorneh- men Roͤmern ſahen? Konnten ſelbige ſich aber kaum und nach vieler Ueberredung erſt entſchlieſſen Eine Frau zu nehmen, ſo wird die Vielweiberey in dem Roͤmiſchen Staate hoͤchſt ſelten geweſen ſeyn. Am wenigſten aber wird ſich dergleichen unter denen gefunden haben, welche ſich damals zu einem Biſchoffsamte gebrauchen laſſen. Die Vielweiberey iſt in bevoͤlkerten Rei- chen uͤberhaupt nur bey beguͤterten Perſo- nen, und daher groͤßtentheils nur bey vor- nehmen Bedienten des Staates und bey reichen Kaufleuten moͤglich. Jſt es aber glaublich, daß ſich leicht jemand von die- ſen in den damaligen fuͤr einen Chriſtli- chen Geiſtlichen ſo gefaͤhrlichen Zeiten wer- de *) Allgemeine Welthiſtorie Th. XII. S. 172.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/351>, abgerufen am 20.05.2024.