werden *). Was dadurch auszurichten, erfähret man bey dem weiblichen Geschlech- te von vornehmern Stande. Ja, was noch mehr? Solche Triebe sind stärker als alle Gesetze. Man siehet dieses bey der Gewohnheit des Duellirens. Wie viele und wie scharfe Gesetze sind darwider gege- ben? Und dennoch dauern diese Raufe- reyen noch immer fort, und zwar nicht nur unter Personen vom Stande, sondern so- gar unter unsern Handwerkspurschen. Die Ursache ist, man hat den Trieb der Ehr- begierde und Schamhaftigkeit hierauf so empfindlich gemacht, daß sie die Furcht für Schmerzen und dem Tode besiegen. Man hat ferner die Furchtsamkeit und die Ertra- gung gewisser Scheltworte mit einer sol- chen Schande beleget, daß man lieber ster- ben, als unter derselben leben will. Alle Verordnungen und Strafen, so man die- sem Ungeheuer entgegen setzet, sind zu schwach, so lange sie aufgebrachte Triebe der Natur wider sich haben. Wie gemein würde derowegen die Keuschheit werden, wenn die Ehrbegierde, die Schamhaftig- keit und das Gewissen auf selbige recht em-
pfind-
*) Wie dieses geschehen müsse, habe in der Abhandlung von dem geistlichen Geschmacke gezeiget, welche sich in dem dritten Theile dieser Betrachtungen befindet.
Jac. Betr. 4. Band. U
werden *). Was dadurch auszurichten, erfaͤhret man bey dem weiblichen Geſchlech- te von vornehmern Stande. Ja, was noch mehr? Solche Triebe ſind ſtaͤrker als alle Geſetze. Man ſiehet dieſes bey der Gewohnheit des Duellirens. Wie viele und wie ſcharfe Geſetze ſind darwider gege- ben? Und dennoch dauern dieſe Raufe- reyen noch immer fort, und zwar nicht nur unter Perſonen vom Stande, ſondern ſo- gar unter unſern Handwerkspurſchen. Die Urſache iſt, man hat den Trieb der Ehr- begierde und Schamhaftigkeit hierauf ſo empfindlich gemacht, daß ſie die Furcht fuͤr Schmerzen und dem Tode beſiegen. Man hat ferner die Furchtſamkeit und die Ertra- gung gewiſſer Scheltworte mit einer ſol- chen Schande beleget, daß man lieber ſter- ben, als unter derſelben leben will. Alle Verordnungen und Strafen, ſo man die- ſem Ungeheuer entgegen ſetzet, ſind zu ſchwach, ſo lange ſie aufgebrachte Triebe der Natur wider ſich haben. Wie gemein wuͤrde derowegen die Keuſchheit werden, wenn die Ehrbegierde, die Schamhaftig- keit und das Gewiſſen auf ſelbige recht em-
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*) Wie dieſes geſchehen muͤſſe, habe in der Abhandlung von dem geiſtlichen Geſchmacke gezeiget, welche ſich in dem dritten Theile dieſer Betrachtungen befindet.
Jac. Betr. 4. Band. U
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werden *). Was dadurch auszurichten,
erfaͤhret man bey dem weiblichen Geſchlech-
te von vornehmern Stande. Ja, was
noch mehr? Solche Triebe ſind ſtaͤrker als
alle Geſetze. Man ſiehet dieſes bey der
Gewohnheit des Duellirens. Wie viele
und wie ſcharfe Geſetze ſind darwider gege-
ben? Und dennoch dauern dieſe Raufe-
reyen noch immer fort, und zwar nicht nur
unter Perſonen vom Stande, ſondern ſo-
gar unter unſern Handwerkspurſchen. Die
Urſache iſt, man hat den Trieb der Ehr-
begierde und Schamhaftigkeit hierauf ſo
empfindlich gemacht, daß ſie die Furcht fuͤr
Schmerzen und dem Tode beſiegen. Man
hat ferner die Furchtſamkeit und die Ertra-
gung gewiſſer Scheltworte mit einer ſol-
chen Schande beleget, daß man lieber ſter-
ben, als unter derſelben leben will. Alle
Verordnungen und Strafen, ſo man die-
ſem Ungeheuer entgegen ſetzet, ſind zu
ſchwach, ſo lange ſie aufgebrachte Triebe
der Natur wider ſich haben. Wie gemein
wuͤrde derowegen die Keuſchheit werden,
wenn die Ehrbegierde, die Schamhaftig-
keit und das Gewiſſen auf ſelbige recht em-
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*) Wie dieſes geſchehen muͤſſe, habe in der
Abhandlung von dem geiſtlichen Geſchmacke
gezeiget, welche ſich in dem dritten Theile
dieſer Betrachtungen befindet.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/325>, abgerufen am 25.11.2024.
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