Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

Bild:
<< vorherige Seite

lich hilfet zu ordentlichen Ehen, und befesti-
get selbige das innere und widrige Gefühl
von der Falschheit, und ein uns anerschaf-
fenes Mitleiden gegen Elende, besonders
gegen solche, die uns lieben. Der Mensch,
wenn er nicht ganz verhärtet ist, empfin-
det unleidliche Vorwürfe, wenn er denen,
die ihm mit der größten Zärtlichkeit erge-
ben sind, Falschheit beweiset, und es re-
get sich ein wehmüthiges und erbarmendes
Mitleiden in unserer Seele, wenn wir die-
jenigen verlassen und elend sehen, welche
uns ihr ganzes Herz geschenket haben.
Die grosse Macht dieser Empfindungen
hat man unter andern am Alexander dem
Grossen und am Herodes, der gleichen
Beynahmen führte, gesehen, da jener sei-
nen treuen General und Freund den Cli-
tus,
und dieser seine geliebte Gemahlinn
die Marianne aus einer übereilten und
tollen Wuth hinrichten lassen. Beyde ge-
riethen dadurch in eine so grosse und an-
haltende Unruhe des Gemüthes, die ihnen
ganz unerträglich war. Auch diese inne-
ren Empfindlichkeiten des Gemüthes kom-
men den ordentlichen Ehen zu statten, und
haben schon mancher Concubine das Recht
und die Ehre einer ordentlichen Frau ver-
schaffet. Da derowegen Gott aus den
wichtigsten Ursachen dem Triebe, welcher
das menschliche Geschlecht fortpflanzet, eine
besondere Stärke gegeben, so ist er zugleich

in

lich hilfet zu ordentlichen Ehen, und befeſti-
get ſelbige das innere und widrige Gefuͤhl
von der Falſchheit, und ein uns anerſchaf-
fenes Mitleiden gegen Elende, beſonders
gegen ſolche, die uns lieben. Der Menſch,
wenn er nicht ganz verhaͤrtet iſt, empfin-
det unleidliche Vorwuͤrfe, wenn er denen,
die ihm mit der groͤßten Zaͤrtlichkeit erge-
ben ſind, Falſchheit beweiſet, und es re-
get ſich ein wehmuͤthiges und erbarmendes
Mitleiden in unſerer Seele, wenn wir die-
jenigen verlaſſen und elend ſehen, welche
uns ihr ganzes Herz geſchenket haben.
Die groſſe Macht dieſer Empfindungen
hat man unter andern am Alexander dem
Groſſen und am Herodes, der gleichen
Beynahmen fuͤhrte, geſehen, da jener ſei-
nen treuen General und Freund den Cli-
tus,
und dieſer ſeine geliebte Gemahlinn
die Marianne aus einer uͤbereilten und
tollen Wuth hinrichten laſſen. Beyde ge-
riethen dadurch in eine ſo groſſe und an-
haltende Unruhe des Gemuͤthes, die ihnen
ganz unertraͤglich war. Auch dieſe inne-
ren Empfindlichkeiten des Gemuͤthes kom-
men den ordentlichen Ehen zu ſtatten, und
haben ſchon mancher Concubine das Recht
und die Ehre einer ordentlichen Frau ver-
ſchaffet. Da derowegen Gott aus den
wichtigſten Urſachen dem Triebe, welcher
das menſchliche Geſchlecht fortpflanzet, eine
beſondere Staͤrke gegeben, ſo iſt er zugleich

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="302"/>
lich hilfet zu ordentlichen Ehen, und befe&#x017F;ti-<lb/>
get &#x017F;elbige das innere und widrige Gefu&#x0364;hl<lb/>
von der Fal&#x017F;chheit, und ein uns aner&#x017F;chaf-<lb/>
fenes Mitleiden gegen Elende, be&#x017F;onders<lb/>
gegen &#x017F;olche, die uns lieben. Der Men&#x017F;ch,<lb/>
wenn er nicht ganz verha&#x0364;rtet i&#x017F;t, empfin-<lb/>
det unleidliche Vorwu&#x0364;rfe, wenn er denen,<lb/>
die ihm mit der gro&#x0364;ßten Za&#x0364;rtlichkeit erge-<lb/>
ben &#x017F;ind, Fal&#x017F;chheit bewei&#x017F;et, und es re-<lb/>
get &#x017F;ich ein wehmu&#x0364;thiges und erbarmendes<lb/>
Mitleiden in un&#x017F;erer Seele, wenn wir die-<lb/>
jenigen verla&#x017F;&#x017F;en und elend &#x017F;ehen, welche<lb/>
uns ihr ganzes Herz ge&#x017F;chenket haben.<lb/>
Die gro&#x017F;&#x017F;e Macht die&#x017F;er Empfindungen<lb/>
hat man unter andern am <hi rendition="#fr">Alexander</hi> dem<lb/>
Gro&#x017F;&#x017F;en und am <hi rendition="#fr">Herodes,</hi> der gleichen<lb/>
Beynahmen fu&#x0364;hrte, ge&#x017F;ehen, da jener &#x017F;ei-<lb/>
nen treuen General und Freund den <hi rendition="#fr">Cli-<lb/>
tus,</hi> und die&#x017F;er &#x017F;eine geliebte Gemahlinn<lb/>
die <hi rendition="#fr">Marianne</hi> aus einer u&#x0364;bereilten und<lb/>
tollen Wuth hinrichten la&#x017F;&#x017F;en. Beyde ge-<lb/>
riethen dadurch in eine &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e und an-<lb/>
haltende Unruhe des Gemu&#x0364;thes, die ihnen<lb/>
ganz unertra&#x0364;glich war. Auch die&#x017F;e inne-<lb/>
ren Empfindlichkeiten des Gemu&#x0364;thes kom-<lb/>
men den ordentlichen Ehen zu &#x017F;tatten, und<lb/>
haben &#x017F;chon mancher Concubine das Recht<lb/>
und die Ehre einer ordentlichen Frau ver-<lb/>
&#x017F;chaffet. Da derowegen Gott aus den<lb/>
wichtig&#x017F;ten Ur&#x017F;achen dem Triebe, welcher<lb/>
das men&#x017F;chliche Ge&#x017F;chlecht fortpflanzet, eine<lb/>
be&#x017F;ondere Sta&#x0364;rke gegeben, &#x017F;o i&#x017F;t er zugleich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0322] lich hilfet zu ordentlichen Ehen, und befeſti- get ſelbige das innere und widrige Gefuͤhl von der Falſchheit, und ein uns anerſchaf- fenes Mitleiden gegen Elende, beſonders gegen ſolche, die uns lieben. Der Menſch, wenn er nicht ganz verhaͤrtet iſt, empfin- det unleidliche Vorwuͤrfe, wenn er denen, die ihm mit der groͤßten Zaͤrtlichkeit erge- ben ſind, Falſchheit beweiſet, und es re- get ſich ein wehmuͤthiges und erbarmendes Mitleiden in unſerer Seele, wenn wir die- jenigen verlaſſen und elend ſehen, welche uns ihr ganzes Herz geſchenket haben. Die groſſe Macht dieſer Empfindungen hat man unter andern am Alexander dem Groſſen und am Herodes, der gleichen Beynahmen fuͤhrte, geſehen, da jener ſei- nen treuen General und Freund den Cli- tus, und dieſer ſeine geliebte Gemahlinn die Marianne aus einer uͤbereilten und tollen Wuth hinrichten laſſen. Beyde ge- riethen dadurch in eine ſo groſſe und an- haltende Unruhe des Gemuͤthes, die ihnen ganz unertraͤglich war. Auch dieſe inne- ren Empfindlichkeiten des Gemuͤthes kom- men den ordentlichen Ehen zu ſtatten, und haben ſchon mancher Concubine das Recht und die Ehre einer ordentlichen Frau ver- ſchaffet. Da derowegen Gott aus den wichtigſten Urſachen dem Triebe, welcher das menſchliche Geſchlecht fortpflanzet, eine beſondere Staͤrke gegeben, ſo iſt er zugleich in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/322
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/322>, abgerufen am 25.11.2024.