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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766.

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"chenraub, daß ihr euer Geschlecht, das
"seinen Ursprung den unsterblichen Göttern
"zu danken hat, ausrotten und die mensch-
"liche Natur, als das Vornehmste ihnen
"gewidmete Heiligthum vertilgen wollet.
"Jhr suchet in der That durch diese Unart
"ihre Tempel und Altäre über den Hau-
"fen zu werfen, und euere Stadt nieder-
"zureissen, weil ihr sie ihrer Einwohner be-
"raubet. Denn eine Stadt bestehet nicht
"in Häusern, Marktplätzen und Bühnen,
"die von Einwohnern entblösset sind, son-
"dern in Menschen.

"Gedenket an euren Stifter, den Ro-
"mulus.
Was würde er dazu sagen,
"wenn er sehen sollte, daß ihr euch wei-
"gert, euer Geschlecht durch rechtmässigen
"Ehestand fortzupflanzen? Was würden
"diejenigen Römer, die mit ihm waren,
"von euch gedenken, welche lieber alles wa-
"gen, als ohne Frauen seyn wollten, da
"sie sich der Sabinischen Jungfrauen, die
"Fremdlinge waren, bemächtigten? Jhr
"hingegen, die ihr derselben Nachkommen
"seyd, könnet diejenigen nicht einmal lie-
"ben, so mit euch von einerley Volke her-
"stammen. Sie begaben sich in Krieg,
"Nachkommen zu verschaffen, da ihr euch
"nicht bemühen wollet, Kinder von euern
"Mitbürgern zu erlangen. Zu was En-
"de, und mit was für Absehen lebet ihr im
"ledigen Stande? Geschiehet es aus dem

"End-

„chenraub, daß ihr euer Geſchlecht, das
„ſeinen Urſprung den unſterblichen Goͤttern
„zu danken hat, ausrotten und die menſch-
„liche Natur, als das Vornehmſte ihnen
„gewidmete Heiligthum vertilgen wollet.
„Jhr ſuchet in der That durch dieſe Unart
„ihre Tempel und Altaͤre uͤber den Hau-
„fen zu werfen, und euere Stadt nieder-
„zureiſſen, weil ihr ſie ihrer Einwohner be-
„raubet. Denn eine Stadt beſtehet nicht
„in Haͤuſern, Marktplaͤtzen und Buͤhnen,
„die von Einwohnern entbloͤſſet ſind, ſon-
„dern in Menſchen.

„Gedenket an euren Stifter, den Ro-
„mulus.
Was wuͤrde er dazu ſagen,
„wenn er ſehen ſollte, daß ihr euch wei-
„gert, euer Geſchlecht durch rechtmaͤſſigen
„Eheſtand fortzupflanzen? Was wuͤrden
„diejenigen Roͤmer, die mit ihm waren,
„von euch gedenken, welche lieber alles wa-
„gen, als ohne Frauen ſeyn wollten, da
„ſie ſich der Sabiniſchen Jungfrauen, die
„Fremdlinge waren, bemaͤchtigten? Jhr
„hingegen, die ihr derſelben Nachkommen
„ſeyd, koͤnnet diejenigen nicht einmal lie-
„ben, ſo mit euch von einerley Volke her-
„ſtammen. Sie begaben ſich in Krieg,
„Nachkommen zu verſchaffen, da ihr euch
„nicht bemuͤhen wollet, Kinder von euern
„Mitbuͤrgern zu erlangen. Zu was En-
„de, und mit was fuͤr Abſehen lebet ihr im
„ledigen Stande? Geſchiehet es aus dem

„End-
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[285/0305] „chenraub, daß ihr euer Geſchlecht, das „ſeinen Urſprung den unſterblichen Goͤttern „zu danken hat, ausrotten und die menſch- „liche Natur, als das Vornehmſte ihnen „gewidmete Heiligthum vertilgen wollet. „Jhr ſuchet in der That durch dieſe Unart „ihre Tempel und Altaͤre uͤber den Hau- „fen zu werfen, und euere Stadt nieder- „zureiſſen, weil ihr ſie ihrer Einwohner be- „raubet. Denn eine Stadt beſtehet nicht „in Haͤuſern, Marktplaͤtzen und Buͤhnen, „die von Einwohnern entbloͤſſet ſind, ſon- „dern in Menſchen. „Gedenket an euren Stifter, den Ro- „mulus. Was wuͤrde er dazu ſagen, „wenn er ſehen ſollte, daß ihr euch wei- „gert, euer Geſchlecht durch rechtmaͤſſigen „Eheſtand fortzupflanzen? Was wuͤrden „diejenigen Roͤmer, die mit ihm waren, „von euch gedenken, welche lieber alles wa- „gen, als ohne Frauen ſeyn wollten, da „ſie ſich der Sabiniſchen Jungfrauen, die „Fremdlinge waren, bemaͤchtigten? Jhr „hingegen, die ihr derſelben Nachkommen „ſeyd, koͤnnet diejenigen nicht einmal lie- „ben, ſo mit euch von einerley Volke her- „ſtammen. Sie begaben ſich in Krieg, „Nachkommen zu verſchaffen, da ihr euch „nicht bemuͤhen wollet, Kinder von euern „Mitbuͤrgern zu erlangen. Zu was En- „de, und mit was fuͤr Abſehen lebet ihr im „ledigen Stande? Geſchiehet es aus dem „End-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/305>, abgerufen am 21.05.2024.