werden. Verständige und sittsame Ver- theidigungen sind allezeit besser als heftige, welche nie ohne grosse Uebereilungen gefüh- ret zu werden pflegen.
§. 23.
Nichtige Entschuldi- gung des Unglau- bens.
Einer Entschuldigung muß ich hierbey begegnen, welche diejenigen anzuführen pflegen, welche die christliche Religion feindselig angreifen. Sie sagen, der Glau- be stehet nicht in unserer Gewalt. Nie- mand kann sich zwingen etwas für wahr zu halten, wovon er nicht überzeuget ist. Sollen wir unsere Zweifel nicht vortragen, so werden sie niemals gelöset werden. Es ist an dem, mit Gewalt lässet sich der Beyfall nicht erzwingen. Allein es sind Mittel vorhanden, ihn ohne Gewalt her- vorzubringen, und man hat also zu unter- suchen, ob man selbige gewählet. Kein verständiger und billiger Christ wird es auch jemanden verargen, wenn er seine Zweifel gegen die Religion andern eröffnet, oder auch öffentlich vorträget, wenn es mit Bescheidenheit geschiehet, und in der Ab- sicht, daß sie mögen aufgelöset werden. Haben aber diejenigen diese Absicht, die sich mehr mit einem spottenden Witze als Grün- den beschäftigen? Können sie sagen, daß sie auf gehörige Art die Wahrheit suchen? Betrachten sie die engen Schranken des menschlichen Verstandes, die ihnen der
grosse
werden. Verſtaͤndige und ſittſame Ver- theidigungen ſind allezeit beſſer als heftige, welche nie ohne groſſe Uebereilungen gefuͤh- ret zu werden pflegen.
§. 23.
Nichtige Entſchuldi- gung des Unglau- bens.
Einer Entſchuldigung muß ich hierbey begegnen, welche diejenigen anzufuͤhren pflegen, welche die chriſtliche Religion feindſelig angreifen. Sie ſagen, der Glau- be ſtehet nicht in unſerer Gewalt. Nie- mand kann ſich zwingen etwas fuͤr wahr zu halten, wovon er nicht uͤberzeuget iſt. Sollen wir unſere Zweifel nicht vortragen, ſo werden ſie niemals geloͤſet werden. Es iſt an dem, mit Gewalt laͤſſet ſich der Beyfall nicht erzwingen. Allein es ſind Mittel vorhanden, ihn ohne Gewalt her- vorzubringen, und man hat alſo zu unter- ſuchen, ob man ſelbige gewaͤhlet. Kein verſtaͤndiger und billiger Chriſt wird es auch jemanden verargen, wenn er ſeine Zweifel gegen die Religion andern eroͤffnet, oder auch oͤffentlich vortraͤget, wenn es mit Beſcheidenheit geſchiehet, und in der Ab- ſicht, daß ſie moͤgen aufgeloͤſet werden. Haben aber diejenigen dieſe Abſicht, die ſich mehr mit einem ſpottenden Witze als Gruͤn- den beſchaͤftigen? Koͤnnen ſie ſagen, daß ſie auf gehoͤrige Art die Wahrheit ſuchen? Betrachten ſie die engen Schranken des menſchlichen Verſtandes, die ihnen der
groſſe
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werden. Verſtaͤndige und ſittſame Ver-
theidigungen ſind allezeit beſſer als heftige,
welche nie ohne groſſe Uebereilungen gefuͤh-
ret zu werden pflegen.
§. 23.
Einer Entſchuldigung muß ich hierbey
begegnen, welche diejenigen anzufuͤhren
pflegen, welche die chriſtliche Religion
feindſelig angreifen. Sie ſagen, der Glau-
be ſtehet nicht in unſerer Gewalt. Nie-
mand kann ſich zwingen etwas fuͤr wahr
zu halten, wovon er nicht uͤberzeuget iſt.
Sollen wir unſere Zweifel nicht vortragen,
ſo werden ſie niemals geloͤſet werden. Es
iſt an dem, mit Gewalt laͤſſet ſich der
Beyfall nicht erzwingen. Allein es ſind
Mittel vorhanden, ihn ohne Gewalt her-
vorzubringen, und man hat alſo zu unter-
ſuchen, ob man ſelbige gewaͤhlet. Kein
verſtaͤndiger und billiger Chriſt wird es
auch jemanden verargen, wenn er ſeine
Zweifel gegen die Religion andern eroͤffnet,
oder auch oͤffentlich vortraͤget, wenn es mit
Beſcheidenheit geſchiehet, und in der Ab-
ſicht, daß ſie moͤgen aufgeloͤſet werden.
Haben aber diejenigen dieſe Abſicht, die ſich
mehr mit einem ſpottenden Witze als Gruͤn-
den beſchaͤftigen? Koͤnnen ſie ſagen, daß ſie
auf gehoͤrige Art die Wahrheit ſuchen?
Betrachten ſie die engen Schranken des
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/196>, abgerufen am 26.11.2024.
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