eben so unbegreiflich schienen, als ihnen die Verkündigung von dem Leiden Christi vormals gewesen war. Die Gedanken und Wünsche derer, welchen der aufer- standene Jesus sich lebendig bewiesen, strit- ten noch immer mit den eigentlichen Absich- ten desselben. Sie fragten so lange nach der Errichtung seines irdischen Reiches; sie forschten nach der dazu bestimmten Zeit: Herr! wirst du auf diese Zeit wieder aufrichten das Reich Jsrael? bis endlich ihre Hoffnung verschwand, als der Hei- land sie nebst dieser Welt verließ und gen Himmel fuhr. Apostelg. C. 1. v. 6.
Wäre nun der anfänglich verworfene Messias auch den übrigen, als ein Ueber- winder des Todes, sichtbar worden, so würden diese ebenfalls nichts anders, als eine gleiche Bekräftigung ihrer sinnlichen Begriffe und irdischen Gedanken daraus genommen haben. Eben die mißlichen Empörungen, die eine Befreyung Christi vom Kreuze erregt hätten, waren noch möglich, wenn er sich hernach jedermann lebendig erwiesen. Jhre Jrrthümer von einem weltlichen Königreiche des Erlösers waren dadurch noch nicht widerlegt. Jhre zeitliche Hoffnung war deswegen noch nicht verlohren. Sie blieben also noch eben so geneigt zu den strafbarsten Ausschweifun- gen, wie vorhin.
§. 9.
eben ſo unbegreiflich ſchienen, als ihnen die Verkuͤndigung von dem Leiden Chriſti vormals geweſen war. Die Gedanken und Wuͤnſche derer, welchen der aufer- ſtandene Jeſus ſich lebendig bewieſen, ſtrit- ten noch immer mit den eigentlichen Abſich- ten deſſelben. Sie fragten ſo lange nach der Errichtung ſeines irdiſchen Reiches; ſie forſchten nach der dazu beſtimmten Zeit: Herr! wirſt du auf dieſe Zeit wieder aufrichten das Reich Jſrael? bis endlich ihre Hoffnung verſchwand, als der Hei- land ſie nebſt dieſer Welt verließ und gen Himmel fuhr. Apoſtelg. C. 1. v. 6.
Waͤre nun der anfaͤnglich verworfene Meſſias auch den uͤbrigen, als ein Ueber- winder des Todes, ſichtbar worden, ſo wuͤrden dieſe ebenfalls nichts anders, als eine gleiche Bekraͤftigung ihrer ſinnlichen Begriffe und irdiſchen Gedanken daraus genommen haben. Eben die mißlichen Empoͤrungen, die eine Befreyung Chriſti vom Kreuze erregt haͤtten, waren noch moͤglich, wenn er ſich hernach jedermann lebendig erwieſen. Jhre Jrrthuͤmer von einem weltlichen Koͤnigreiche des Erloͤſers waren dadurch noch nicht widerlegt. Jhre zeitliche Hoffnung war deswegen noch nicht verlohren. Sie blieben alſo noch eben ſo geneigt zu den ſtrafbarſten Ausſchweifun- gen, wie vorhin.
§. 9.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="142"/>
eben ſo unbegreiflich ſchienen, als ihnen<lb/>
die Verkuͤndigung von dem Leiden Chriſti<lb/>
vormals geweſen war. Die Gedanken<lb/>
und Wuͤnſche derer, welchen der aufer-<lb/>ſtandene Jeſus ſich lebendig bewieſen, ſtrit-<lb/>
ten noch immer mit den eigentlichen Abſich-<lb/>
ten deſſelben. Sie fragten ſo lange nach<lb/>
der Errichtung ſeines irdiſchen Reiches;<lb/>ſie forſchten nach der dazu beſtimmten Zeit:<lb/><hirendition="#fr">Herr! wirſt du auf dieſe Zeit wieder<lb/>
aufrichten das Reich Jſrael?</hi> bis endlich<lb/>
ihre Hoffnung verſchwand, als der Hei-<lb/>
land ſie nebſt dieſer Welt verließ und gen<lb/>
Himmel fuhr. Apoſtelg. C. 1. v. 6.</p><lb/><p>Waͤre nun der anfaͤnglich verworfene<lb/>
Meſſias auch den uͤbrigen, als ein Ueber-<lb/>
winder des Todes, ſichtbar worden, ſo<lb/>
wuͤrden dieſe ebenfalls nichts anders, als<lb/>
eine gleiche Bekraͤftigung ihrer ſinnlichen<lb/>
Begriffe und irdiſchen Gedanken daraus<lb/>
genommen haben. Eben die mißlichen<lb/>
Empoͤrungen, die eine Befreyung Chriſti<lb/>
vom Kreuze erregt haͤtten, waren noch<lb/>
moͤglich, wenn er ſich hernach jedermann<lb/>
lebendig erwieſen. Jhre Jrrthuͤmer von<lb/>
einem weltlichen Koͤnigreiche des Erloͤſers<lb/>
waren dadurch noch nicht widerlegt. Jhre<lb/>
zeitliche Hoffnung war deswegen noch nicht<lb/>
verlohren. Sie blieben alſo noch eben ſo<lb/>
geneigt zu den ſtrafbarſten Ausſchweifun-<lb/>
gen, wie vorhin.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 9.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[142/0162]
eben ſo unbegreiflich ſchienen, als ihnen
die Verkuͤndigung von dem Leiden Chriſti
vormals geweſen war. Die Gedanken
und Wuͤnſche derer, welchen der aufer-
ſtandene Jeſus ſich lebendig bewieſen, ſtrit-
ten noch immer mit den eigentlichen Abſich-
ten deſſelben. Sie fragten ſo lange nach
der Errichtung ſeines irdiſchen Reiches;
ſie forſchten nach der dazu beſtimmten Zeit:
Herr! wirſt du auf dieſe Zeit wieder
aufrichten das Reich Jſrael? bis endlich
ihre Hoffnung verſchwand, als der Hei-
land ſie nebſt dieſer Welt verließ und gen
Himmel fuhr. Apoſtelg. C. 1. v. 6.
Waͤre nun der anfaͤnglich verworfene
Meſſias auch den uͤbrigen, als ein Ueber-
winder des Todes, ſichtbar worden, ſo
wuͤrden dieſe ebenfalls nichts anders, als
eine gleiche Bekraͤftigung ihrer ſinnlichen
Begriffe und irdiſchen Gedanken daraus
genommen haben. Eben die mißlichen
Empoͤrungen, die eine Befreyung Chriſti
vom Kreuze erregt haͤtten, waren noch
moͤglich, wenn er ſich hernach jedermann
lebendig erwieſen. Jhre Jrrthuͤmer von
einem weltlichen Koͤnigreiche des Erloͤſers
waren dadurch noch nicht widerlegt. Jhre
zeitliche Hoffnung war deswegen noch nicht
verlohren. Sie blieben alſo noch eben ſo
geneigt zu den ſtrafbarſten Ausſchweifun-
gen, wie vorhin.
§. 9.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.