Verfall gerathen, oder weil in verschiede- nen Gegenden der Welt der Verstand mehr aufgekläret und das Gefühl der Men- schen zärtlicher worden *). So sehr diese beiden Meinungen mit einander zu streiten scheinen, so glaube doch, daß sie mit einan- der vereiniget werden können, und beides in einer gewissen Einschränkung wahr sey und einen Grund abgebe, woraus einiger massen zu begreifen, warum Christus eben unter dem Augustus und zu keiner andern Zeit die Welt mit seiner Ankunft begnadi- get. Es ist unstreitig, daß zu den Zeiten des Heilandes in denen Gegenden, wo sich das Christenthum zuerst ausgebreitet, weniger Krieg, und die Völker mehr an Obrigkeiten und Gesetze gewöhnt gewesen, als in den vorhergehenden Zeiten. Es ist ferner unstreitig, daß in selbigen Gegenden, wo der Glanz des Evangelii zuerst aufge- gangen, die Wissenschaften und ein feine- rer Geschmack geblühet, wie man solches aus den Schriften und Werken der Kunst der damahligen Zeit abnehmen kann. Es ist ferner unstreitig, daß dieses unter dem Augustus auf das höchste gestiegen. Es ist
aber
*) Man lese hierüber des seel. Reinbecks Be- trachtungen über die Augspurgische Confes- sion Betr. XL. §. LVIII.Fosters Predigten Pred. XXIII. und des berühmten Herrn Abt Jerusalems Predigten Th. I. Pr. I.
Verfall gerathen, oder weil in verſchiede- nen Gegenden der Welt der Verſtand mehr aufgeklaͤret und das Gefuͤhl der Men- ſchen zaͤrtlicher worden *). So ſehr dieſe beiden Meinungen mit einander zu ſtreiten ſcheinen, ſo glaube doch, daß ſie mit einan- der vereiniget werden koͤnnen, und beides in einer gewiſſen Einſchraͤnkung wahr ſey und einen Grund abgebe, woraus einiger maſſen zu begreifen, warum Chriſtus eben unter dem Auguſtus und zu keiner andern Zeit die Welt mit ſeiner Ankunft begnadi- get. Es iſt unſtreitig, daß zu den Zeiten des Heilandes in denen Gegenden, wo ſich das Chriſtenthum zuerſt ausgebreitet, weniger Krieg, und die Voͤlker mehr an Obrigkeiten und Geſetze gewoͤhnt geweſen, als in den vorhergehenden Zeiten. Es iſt ferner unſtreitig, daß in ſelbigen Gegenden, wo der Glanz des Evangelii zuerſt aufge- gangen, die Wiſſenſchaften und ein feine- rer Geſchmack gebluͤhet, wie man ſolches aus den Schriften und Werken der Kunſt der damahligen Zeit abnehmen kann. Es iſt ferner unſtreitig, daß dieſes unter dem Auguſtus auf das hoͤchſte geſtiegen. Es iſt
aber
*) Man leſe hieruͤber des ſeel. Reinbecks Be- trachtungen uͤber die Augſpurgiſche Confeſ- ſion Betr. XL. §. LVIII.Foſters Predigten Pred. XXIII. und des beruͤhmten Herrn Abt Jeruſalems Predigten Th. I. Pr. I.
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Verfall gerathen, oder weil in verſchiede-
nen Gegenden der Welt der Verſtand
mehr aufgeklaͤret und das Gefuͤhl der Men-
ſchen zaͤrtlicher worden *). So ſehr dieſe
beiden Meinungen mit einander zu ſtreiten
ſcheinen, ſo glaube doch, daß ſie mit einan-
der vereiniget werden koͤnnen, und beides
in einer gewiſſen Einſchraͤnkung wahr ſey
und einen Grund abgebe, woraus einiger
maſſen zu begreifen, warum Chriſtus eben
unter dem Auguſtus und zu keiner andern
Zeit die Welt mit ſeiner Ankunft begnadi-
get. Es iſt unſtreitig, daß zu den Zeiten
des Heilandes in denen Gegenden, wo ſich
das Chriſtenthum zuerſt ausgebreitet,
weniger Krieg, und die Voͤlker mehr an
Obrigkeiten und Geſetze gewoͤhnt geweſen,
als in den vorhergehenden Zeiten. Es iſt
ferner unſtreitig, daß in ſelbigen Gegenden,
wo der Glanz des Evangelii zuerſt aufge-
gangen, die Wiſſenſchaften und ein feine-
rer Geſchmack gebluͤhet, wie man ſolches
aus den Schriften und Werken der Kunſt
der damahligen Zeit abnehmen kann. Es
iſt ferner unſtreitig, daß dieſes unter dem
Auguſtus auf das hoͤchſte geſtiegen. Es iſt
aber
*) Man leſe hieruͤber des ſeel. Reinbecks Be-
trachtungen uͤber die Augſpurgiſche Confeſ-
ſion Betr. XL. §. LVIII. Foſters Predigten
Pred. XXIII. und des beruͤhmten Herrn Abt
Jeruſalems Predigten Th. I. Pr. I.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/114>, abgerufen am 26.11.2024.
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