Grund hinzu, der diesen göttlichen Be- fehl rechtfertiget. Ein jeder weiß, daß sich die allermehresten Gesetze auf diejenigen Umstände beziehen, welche die gewöhn- lichsten sind, und daher in ganz ausseror- dentlichen Fällen eine Ausnahme verstat- ten, oder eigentlicher zu reden, sich auf ganz ausserordentliche Fälle nicht erstre- cken. Niemand hält es für ungerecht, wenn in einer Schlacht der eine über sei- nen treuesten Freund, der mit seinem Pfer- de gestürzet, hinweg reitet und ihn auf das elendeste zerquetschet. Die Noth er- fordert diese Härte. So kann auch der Allerheiligste in einem ausserordentlichen Falle etwas anordnen, welches in ordent- lichen Umständen wider das Recht der Natur wäre. Es höret auf mit demsel- ben zu streiten, so bald die Noth eine Aus- nahme erfordert. Die ehmaligen Um- stände der Welt aber erforderten zu Zeiten dergleichen, wenn nicht die sämtlichen Ein- wohner der Erden in einem beständigen Aberglauben und in den schändlichsten La- stern verharren sollten *). Diejenigen, wel-
che
*) Noch mehrere Antworten auf die Vor- würfe, so wider diese göttliche Anordnung gemacht worden, findet man in einer Note des Herrn D. Baumgartens zu der Allge- meinen Welthistorie. Th. II. S. 97 in Sau- rins Betrachtungen über die wichtigsten Be- gebenheiten des A. und N. Testaments Th. I. Betr. 72. §. 35. u. f.
Grund hinzu, der dieſen goͤttlichen Be- fehl rechtfertiget. Ein jeder weiß, daß ſich die allermehreſten Geſetze auf diejenigen Umſtaͤnde beziehen, welche die gewoͤhn- lichſten ſind, und daher in ganz auſſeror- dentlichen Faͤllen eine Ausnahme verſtat- ten, oder eigentlicher zu reden, ſich auf ganz auſſerordentliche Faͤlle nicht erſtre- cken. Niemand haͤlt es fuͤr ungerecht, wenn in einer Schlacht der eine uͤber ſei- nen treueſten Freund, der mit ſeinem Pfer- de geſtuͤrzet, hinweg reitet und ihn auf das elendeſte zerquetſchet. Die Noth er- fordert dieſe Haͤrte. So kann auch der Allerheiligſte in einem auſſerordentlichen Falle etwas anordnen, welches in ordent- lichen Umſtaͤnden wider das Recht der Natur waͤre. Es hoͤret auf mit demſel- ben zu ſtreiten, ſo bald die Noth eine Aus- nahme erfordert. Die ehmaligen Um- ſtaͤnde der Welt aber erforderten zu Zeiten dergleichen, wenn nicht die ſaͤmtlichen Ein- wohner der Erden in einem beſtaͤndigen Aberglauben und in den ſchaͤndlichſten La- ſtern verharren ſollten *). Diejenigen, wel-
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*) Noch mehrere Antworten auf die Vor- wuͤrfe, ſo wider dieſe goͤttliche Anordnung gemacht worden, findet man in einer Note des Herrn D. Baumgartens zu der Allge- meinen Welthiſtorie. Th. II. S. 97 in Sau- rins Betrachtungen uͤber die wichtigſten Be- gebenheiten des A. und N. Teſtaments Th. I. Betr. 72. §. 35. u. f.
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Grund hinzu, der dieſen goͤttlichen Be-
fehl rechtfertiget. Ein jeder weiß, daß
ſich die allermehreſten Geſetze auf diejenigen
Umſtaͤnde beziehen, welche die gewoͤhn-
lichſten ſind, und daher in ganz auſſeror-
dentlichen Faͤllen eine Ausnahme verſtat-
ten, oder eigentlicher zu reden, ſich auf
ganz auſſerordentliche Faͤlle nicht erſtre-
cken. Niemand haͤlt es fuͤr ungerecht,
wenn in einer Schlacht der eine uͤber ſei-
nen treueſten Freund, der mit ſeinem Pfer-
de geſtuͤrzet, hinweg reitet und ihn auf
das elendeſte zerquetſchet. Die Noth er-
fordert dieſe Haͤrte. So kann auch der
Allerheiligſte in einem auſſerordentlichen
Falle etwas anordnen, welches in ordent-
lichen Umſtaͤnden wider das Recht der
Natur waͤre. Es hoͤret auf mit demſel-
ben zu ſtreiten, ſo bald die Noth eine Aus-
nahme erfordert. Die ehmaligen Um-
ſtaͤnde der Welt aber erforderten zu Zeiten
dergleichen, wenn nicht die ſaͤmtlichen Ein-
wohner der Erden in einem beſtaͤndigen
Aberglauben und in den ſchaͤndlichſten La-
ſtern verharren ſollten *). Diejenigen, wel-
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*) Noch mehrere Antworten auf die Vor-
wuͤrfe, ſo wider dieſe goͤttliche Anordnung
gemacht worden, findet man in einer Note
des Herrn D. Baumgartens zu der Allge-
meinen Welthiſtorie. Th. II. S. 97 in Sau-
rins Betrachtungen uͤber die wichtigſten Be-
gebenheiten des A. und N. Teſtaments Th. I.
Betr. 72. §. 35. u. f.
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbarung antreffen. Bd. 4. Hannover, 1766, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen04_1766/108>, abgerufen am 04.05.2024.
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