Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.Matth. 7, 21.men ins Himmelreich, sondern, die den Willen GOttes thun. So wenig nun die weiseste und heiligste Liebe einen Glau- ben, der nicht in der Liebe thätig ist, an- nehmen kan, so wenig können ihr auch die- jenigen gefallen, welche sich so weit nicht erniedrigen wollen, daß sie ihre Gerechtig- keit bloß in den Glauben suchen, sondern in ihre Wercke, in ihre Tugenden ein gros- ses Verdienst setzen und mit einer hoch- Matth. 7, 22.müthigen Mine sprechen: Haben wir nicht viel Thaten gethan? Wir müs- sen das Bild dieser hohen und starcken Geister etwas genauer abschildern. Es giebt Personen, welchen die oben beschrie- bene Gestalt der Gläubigen viel zu nieder- trächtig, zu kriechend ist. Der Glaube, welchen wir oben beschrieben, erkennet alle Tugenden, die wir ausüben, für höchst un- vollkommen. Er begreift, daß sich noch viele Thorheiten und Schwachheiten bey selbigen finden, und ihnen die gehörige Schönheit benehmen. Er setzet derowe- gen seine Hoffnung nicht auf sein Verdienst, selbiges fällt gantz weg, sondern sein Ver- trauen gründet er bloß auf die Gnade GOt- tes, die mit einem demüthigen Glauben will zufrie-
Matth. 7, 21.men ins Himmelreich, ſondern, die den Willen GOttes thun. So wenig nun die weiſeſte und heiligſte Liebe einen Glau- ben, der nicht in der Liebe thaͤtig iſt, an- nehmen kan, ſo wenig koͤnnen ihr auch die- jenigen gefallen, welche ſich ſo weit nicht erniedrigen wollen, daß ſie ihre Gerechtig- keit bloß in den Glauben ſuchen, ſondern in ihre Wercke, in ihre Tugenden ein groſ- ſes Verdienſt ſetzen und mit einer hoch- Matth. 7, 22.muͤthigen Mine ſprechen: Haben wir nicht viel Thaten gethan? Wir muͤſ- ſen das Bild dieſer hohen und ſtarcken Geiſter etwas genauer abſchildern. Es giebt Perſonen, welchen die oben beſchrie- bene Geſtalt der Glaͤubigen viel zu nieder- traͤchtig, zu kriechend iſt. Der Glaube, welchen wir oben beſchrieben, erkennet alle Tugenden, die wir ausuͤben, fuͤr hoͤchſt un- vollkommen. Er begreift, daß ſich noch viele Thorheiten und Schwachheiten bey ſelbigen finden, und ihnen die gehoͤrige Schoͤnheit benehmen. Er ſetzet derowe- gen ſeine Hoffnung nicht auf ſein Verdienſt, ſelbiges faͤllt gantz weg, ſondern ſein Ver- trauen gruͤndet er bloß auf die Gnade GOt- tes, die mit einem demuͤthigen Glauben will zufrie-
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Willen GOttes thun. So wenig nun
die weiſeſte und heiligſte Liebe einen Glau-
ben, der nicht in der Liebe thaͤtig iſt, an-
nehmen kan, ſo wenig koͤnnen ihr auch die-
jenigen gefallen, welche ſich ſo weit nicht
erniedrigen wollen, daß ſie ihre Gerechtig-
keit bloß in den Glauben ſuchen, ſondern
in ihre Wercke, in ihre Tugenden ein groſ-
ſes Verdienſt ſetzen und mit einer hoch-
muͤthigen Mine ſprechen: Haben wir
nicht viel Thaten gethan? Wir muͤſ-
ſen das Bild dieſer hohen und ſtarcken
Geiſter etwas genauer abſchildern. Es
giebt Perſonen, welchen die oben beſchrie-
bene Geſtalt der Glaͤubigen viel zu nieder-
traͤchtig, zu kriechend iſt. Der Glaube,
welchen wir oben beſchrieben, erkennet alle
Tugenden, die wir ausuͤben, fuͤr hoͤchſt un-
vollkommen. Er begreift, daß ſich noch
viele Thorheiten und Schwachheiten bey
ſelbigen finden, und ihnen die gehoͤrige
Schoͤnheit benehmen. Er ſetzet derowe-
gen ſeine Hoffnung nicht auf ſein Verdienſt,
ſelbiges faͤllt gantz weg, ſondern ſein Ver-
trauen gruͤndet er bloß auf die Gnade GOt-
tes, die mit einem demuͤthigen Glauben will
zufrie-
Matth. 7,
21.
Matth. 7,
22.
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