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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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be sagt uns, GOTT sey ein Vater allerMal. 2, 10.
Menschen-Kinder; er habe eine allgemeine
Liebe gegen alle, und unser Bürge habe
sein Leben für alle dahin gegeben, und so
gar für seine Feinde gebeten. Wir mer-
cken daher, daß wir wider GOtt und den
Heyland sind, wenn wir die nicht lieben, die
von ihm geliebet werden. Wir begreifen,
daß der also ein Lügner sey, der da spricht,1. Joh. 4,
20.

er liebe GOtt, und hasse seinen Bruder.
Wir sehen ein, daß, so lange wir noch oh-
ne Liebe und voller Zorn und Rachbegier-
de sind, wir Christus Geist noch nicht ha-
ben und folglich nicht sein sind. Wir mer-
cken, daß die Liebe gegen die Brüder das
rechte Kennzeichen der Jünger des HErrnJoh. 13,
35.

sey. Je stärcker nun aber diese Liebe ist,
je sehnlicher das Verlangen angenehme
Kinder GOttes zu seyn, je grösser die Be-
gierde dem Erlöser zu folgen und ihm ähn-
lich zu werden, je mehr wir uns bemühen
in der Erkenntniß und Tugend immer wei-
ter zu kommen, destomehr bemercken wir
unser Unvermögen, und die Grösse unserer
Unvollkommenheiten. Wir bemercken
noch immer Jrrthümer und Thorheiten in
dem Verstande, und unordentliche und hef-

tige
B b 3



be ſagt uns, GOTT ſey ein Vater allerMal. 2, 10.
Menſchen-Kinder; er habe eine allgemeine
Liebe gegen alle, und unſer Buͤrge habe
ſein Leben fuͤr alle dahin gegeben, und ſo
gar fuͤr ſeine Feinde gebeten. Wir mer-
cken daher, daß wir wider GOtt und den
Heyland ſind, wenn wir die nicht lieben, die
von ihm geliebet werden. Wir begreifen,
daß der alſo ein Luͤgner ſey, der da ſpricht,1. Joh. 4,
20.

er liebe GOtt, und haſſe ſeinen Bruder.
Wir ſehen ein, daß, ſo lange wir noch oh-
ne Liebe und voller Zorn und Rachbegier-
de ſind, wir Chriſtus Geiſt noch nicht ha-
ben und folglich nicht ſein ſind. Wir mer-
cken, daß die Liebe gegen die Bruͤder das
rechte Kennzeichen der Juͤnger des HErrnJoh. 13,
35.

ſey. Je ſtaͤrcker nun aber dieſe Liebe iſt,
je ſehnlicher das Verlangen angenehme
Kinder GOttes zu ſeyn, je groͤſſer die Be-
gierde dem Erloͤſer zu folgen und ihm aͤhn-
lich zu werden, je mehr wir uns bemuͤhen
in der Erkenntniß und Tugend immer wei-
ter zu kommen, deſtomehr bemercken wir
unſer Unvermoͤgen, und die Groͤſſe unſerer
Unvollkommenheiten. Wir bemercken
noch immer Jrrthuͤmer und Thorheiten in
dem Verſtande, und unordentliche und hef-

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[389/0407] be ſagt uns, GOTT ſey ein Vater aller Menſchen-Kinder; er habe eine allgemeine Liebe gegen alle, und unſer Buͤrge habe ſein Leben fuͤr alle dahin gegeben, und ſo gar fuͤr ſeine Feinde gebeten. Wir mer- cken daher, daß wir wider GOtt und den Heyland ſind, wenn wir die nicht lieben, die von ihm geliebet werden. Wir begreifen, daß der alſo ein Luͤgner ſey, der da ſpricht, er liebe GOtt, und haſſe ſeinen Bruder. Wir ſehen ein, daß, ſo lange wir noch oh- ne Liebe und voller Zorn und Rachbegier- de ſind, wir Chriſtus Geiſt noch nicht ha- ben und folglich nicht ſein ſind. Wir mer- cken, daß die Liebe gegen die Bruͤder das rechte Kennzeichen der Juͤnger des HErrn ſey. Je ſtaͤrcker nun aber dieſe Liebe iſt, je ſehnlicher das Verlangen angenehme Kinder GOttes zu ſeyn, je groͤſſer die Be- gierde dem Erloͤſer zu folgen und ihm aͤhn- lich zu werden, je mehr wir uns bemuͤhen in der Erkenntniß und Tugend immer wei- ter zu kommen, deſtomehr bemercken wir unſer Unvermoͤgen, und die Groͤſſe unſerer Unvollkommenheiten. Wir bemercken noch immer Jrrthuͤmer und Thorheiten in dem Verſtande, und unordentliche und hef- tige Mal. 2, 10. 1. Joh. 4, 20. Joh. 13, 35. B b 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/407>, abgerufen am 17.05.2024.