Da aber der eine diejenigen Gründe für albern ja atheistisch hält, welche nach an- derer Einsicht die natürlichsten, festesten und deutlichsten sind, so wollen wir die Verbindlichkeit, welche aus der Gnug- thuung JEsu entspringet, nur mit einem solchen Satze verknüpffen, worinne die Lehrer des natürlichen Rechts mit einan- der übereinstimmen. Niemand wird leicht diesen Satz leugnen: Je mehr Mühe man sich giebt, und je mehr und je kostbahrere Mittel man an- wendet, einen, der sich durch Un- treue an seinem gerechten Herrn ver- sündiget, zur Erkäntniß seines Ver- brechens, zum neuen Gehorsahm und Liebe zu bewegen; desto grösser wird seine Schuldigkeit umzukeh- ren und seine Pflicht mit genauer Aufrichtigkeit zu leisten. Setzet ein solcher alle liebreiche Vorkehrungen, die sein Herr seinetwegen macht, aus den Au- gen und verachtet selbige, oder begehet nach kurtzen ähnliche Untreue, so wird Nie- mand zweifeln, daß er desto grösserer Strafe würdig sey. Man stelle sich ei- nige Soldaten für, die einem Herrn frei- willig die Treue geschwohren. Man neh- me an, sie verlassen ihren Posten und flie- hen aus ihrem Dienst in ein entferntes Land. Man setze, der Herr schicke ihnen
nach,
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Da aber der eine diejenigen Gruͤnde fuͤr albern ja atheiſtiſch haͤlt, welche nach an- derer Einſicht die natuͤrlichſten, feſteſten und deutlichſten ſind, ſo wollen wir die Verbindlichkeit, welche aus der Gnug- thuung JEſu entſpringet, nur mit einem ſolchen Satze verknuͤpffen, worinne die Lehrer des natuͤrlichen Rechts mit einan- der uͤbereinſtimmen. Niemand wird leicht dieſen Satz leugnen: Je mehr Muͤhe man ſich giebt, und je mehr und je koſtbahrere Mittel man an- wendet, einen, der ſich durch Un- treue an ſeinem gerechten Herrn ver- ſuͤndiget, zur Erkaͤntniß ſeines Ver- brechens, zum neuẽ Gehorſahm und Liebe zu bewegen; deſto groͤſſer wird ſeine Schuldigkeit umzukeh- ren und ſeine Pflicht mit genauer Aufrichtigkeit zu leiſten. Setzet ein ſolcher alle liebreiche Vorkehrungen, die ſein Herr ſeinetwegen macht, aus den Au- gen und verachtet ſelbige, oder begehet nach kurtzen aͤhnliche Untreue, ſo wird Nie- mand zweifeln, daß er deſto groͤſſerer Strafe wuͤrdig ſey. Man ſtelle ſich ei- nige Soldaten fuͤr, die einem Herrn frei- willig die Treue geſchwohren. Man neh- me an, ſie verlaſſen ihren Poſten und flie- hen aus ihrem Dienſt in ein entferntes Land. Man ſetze, der Herr ſchicke ihnen
nach,
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[441[437]/0473]
Da aber der eine diejenigen Gruͤnde fuͤr
albern ja atheiſtiſch haͤlt, welche nach an-
derer Einſicht die natuͤrlichſten, feſteſten
und deutlichſten ſind, ſo wollen wir die
Verbindlichkeit, welche aus der Gnug-
thuung JEſu entſpringet, nur mit einem
ſolchen Satze verknuͤpffen, worinne die
Lehrer des natuͤrlichen Rechts mit einan-
der uͤbereinſtimmen. Niemand wird
leicht dieſen Satz leugnen: Je mehr
Muͤhe man ſich giebt, und je mehr
und je koſtbahrere Mittel man an-
wendet, einen, der ſich durch Un-
treue an ſeinem gerechten Herrn ver-
ſuͤndiget, zur Erkaͤntniß ſeines Ver-
brechens, zum neuẽ Gehorſahm und
Liebe zu bewegen; deſto groͤſſer
wird ſeine Schuldigkeit umzukeh-
ren und ſeine Pflicht mit genauer
Aufrichtigkeit zu leiſten. Setzet ein
ſolcher alle liebreiche Vorkehrungen, die
ſein Herr ſeinetwegen macht, aus den Au-
gen und verachtet ſelbige, oder begehet
nach kurtzen aͤhnliche Untreue, ſo wird Nie-
mand zweifeln, daß er deſto groͤſſerer
Strafe wuͤrdig ſey. Man ſtelle ſich ei-
nige Soldaten fuͤr, die einem Herrn frei-
willig die Treue geſchwohren. Man neh-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 441[437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/473>, abgerufen am 26.11.2024.
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