Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite





da er sie doch öfters gar leicht hätte wis-
sen können. Wie versiehet der beste
Meister nicht öfters die schönste Gelegen-
heit das Spiel zu gewinnen? Hier hat
ein jeder nur auf wenige Steine und de-
ren Verbindung zu achten, und ist den-
noch nicht im Stande selbige zu überse-
hen, wie ist es denn möglich, daß unsere
Vernunft von der wahren Beschaffen-
heit derjenigen Dinge urtheilen kan, die
einen sehr grossen Theil der Welt ange-
hen sollen? (*)

§. 37.
(*) Wir machen zum Beschluß dieser Ma-
terie folgende Anmerckung: Wer da will
urtheilen, ob etwas den Vollkommen-
heiten GOttes gemäß oder unanständig
sey, der muß vorher genau wissen, erstlich
ob eine solche Sache möglich oder unmög-
lich: Zweytens, ob sie den Zusammenhang
dieser Welt vollkommener oder unvollkomme-
ner macht. Es ist unnöthig hiervon weiter
einen Beweiß zu geben, er kan leicht aus
dem vorhergehenden ersehen werden, und
leuchtet auch von selbst in die Augen. Wir
wollen nur diese Anmerckung mit Exem-
peln erläutern. Wer z. E. wie auch ei-
nige von den heutigen Gelehrten thun, be-
haupten will: Die Erschaffung einer
Welt, die ohne eine Erhaltung und Re-
gierung nicht bestehen könne, sey wider die
Vollkommenheiten GOttes; der muß
erst beweisen, daß eine Welt möglich sey,
die





da er ſie doch oͤfters gar leicht haͤtte wiſ-
ſen koͤnnen. Wie verſiehet der beſte
Meiſter nicht oͤfters die ſchoͤnſte Gelegen-
heit das Spiel zu gewinnen? Hier hat
ein jeder nur auf wenige Steine und de-
ren Verbindung zu achten, und iſt den-
noch nicht im Stande ſelbige zu uͤberſe-
hen, wie iſt es denn moͤglich, daß unſere
Vernunft von der wahren Beſchaffen-
heit derjenigen Dinge urtheilen kan, die
einen ſehr groſſen Theil der Welt ange-
hen ſollen? (*)

§. 37.
(*) Wir machen zum Beſchluß dieſer Ma-
terie folgende Anmerckung: Wer da will
urtheilen, ob etwas den Vollkommen-
heiten GOttes gemaͤß oder unanſtaͤndig
ſey, der muß vorher genau wiſſen, erſtlich
ob eine ſolche Sache moͤglich oder unmoͤg-
lich: Zweytens, ob ſie den Zuſammenhang
dieſer Welt vollkom̃ener oder unvollkom̃e-
ner macht. Es iſt unnoͤthig hiervon weiter
einen Beweiß zu geben, er kan leicht aus
dem vorhergehenden erſehen werden, und
leuchtet auch von ſelbſt in die Augen. Wir
wollen nur dieſe Anmerckung mit Exem-
peln erlaͤutern. Wer z. E. wie auch ei-
nige von den heutigen Gelehrten thun, be-
haupten will: Die Erſchaffung einer
Welt, die ohne eine Erhaltung und Re-
gierung nicht beſtehen koͤnne, ſey wider die
Vollkommenheiten GOttes; der muß
erſt beweiſen, daß eine Welt moͤglich ſey,
die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0422" n="390[386]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
da er &#x017F;ie doch o&#x0364;fters gar leicht ha&#x0364;tte wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ko&#x0364;nnen. Wie ver&#x017F;iehet der be&#x017F;te<lb/>
Mei&#x017F;ter nicht o&#x0364;fters die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Gelegen-<lb/>
heit das Spiel zu gewinnen? Hier hat<lb/>
ein jeder nur auf wenige Steine und de-<lb/>
ren Verbindung zu achten, und i&#x017F;t den-<lb/>
noch nicht im Stande &#x017F;elbige zu u&#x0364;ber&#x017F;e-<lb/>
hen, wie i&#x017F;t es denn mo&#x0364;glich, daß un&#x017F;ere<lb/>
Vernunft von der wahren Be&#x017F;chaffen-<lb/>
heit derjenigen Dinge urtheilen kan, die<lb/>
einen &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;en Theil der Welt ange-<lb/>
hen &#x017F;ollen? <note xml:id="a46" next="#a47" place="foot" n="(*)">Wir machen zum Be&#x017F;chluß die&#x017F;er Ma-<lb/>
terie folgende Anmerckung: Wer da will<lb/>
urtheilen, ob etwas den Vollkommen-<lb/>
heiten GOttes gema&#x0364;ß oder unan&#x017F;ta&#x0364;ndig<lb/>
&#x017F;ey, der muß vorher genau wi&#x017F;&#x017F;en, er&#x017F;tlich<lb/>
ob eine &#x017F;olche Sache mo&#x0364;glich oder unmo&#x0364;g-<lb/>
lich: Zweytens, ob &#x017F;ie den Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
die&#x017F;er Welt vollkom&#x0303;ener oder unvollkom&#x0303;e-<lb/>
ner macht. Es i&#x017F;t unno&#x0364;thig hiervon weiter<lb/>
einen Beweiß zu geben, er kan leicht aus<lb/>
dem vorhergehenden er&#x017F;ehen werden, und<lb/>
leuchtet auch von &#x017F;elb&#x017F;t in die Augen. Wir<lb/>
wollen nur die&#x017F;e Anmerckung mit Exem-<lb/>
peln erla&#x0364;utern. Wer z. E. wie auch ei-<lb/>
nige von den heutigen Gelehrten thun, be-<lb/>
haupten will: Die Er&#x017F;chaffung einer<lb/>
Welt, die ohne eine Erhaltung und Re-<lb/>
gierung nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;nne, &#x017F;ey wider die<lb/>
Vollkommenheiten GOttes; der muß<lb/>
er&#x017F;t bewei&#x017F;en, daß eine Welt mo&#x0364;glich &#x017F;ey,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw></note></p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">§. 37.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390[386]/0422] da er ſie doch oͤfters gar leicht haͤtte wiſ- ſen koͤnnen. Wie verſiehet der beſte Meiſter nicht oͤfters die ſchoͤnſte Gelegen- heit das Spiel zu gewinnen? Hier hat ein jeder nur auf wenige Steine und de- ren Verbindung zu achten, und iſt den- noch nicht im Stande ſelbige zu uͤberſe- hen, wie iſt es denn moͤglich, daß unſere Vernunft von der wahren Beſchaffen- heit derjenigen Dinge urtheilen kan, die einen ſehr groſſen Theil der Welt ange- hen ſollen? (*) §. 37. (*) Wir machen zum Beſchluß dieſer Ma- terie folgende Anmerckung: Wer da will urtheilen, ob etwas den Vollkommen- heiten GOttes gemaͤß oder unanſtaͤndig ſey, der muß vorher genau wiſſen, erſtlich ob eine ſolche Sache moͤglich oder unmoͤg- lich: Zweytens, ob ſie den Zuſammenhang dieſer Welt vollkom̃ener oder unvollkom̃e- ner macht. Es iſt unnoͤthig hiervon weiter einen Beweiß zu geben, er kan leicht aus dem vorhergehenden erſehen werden, und leuchtet auch von ſelbſt in die Augen. Wir wollen nur dieſe Anmerckung mit Exem- peln erlaͤutern. Wer z. E. wie auch ei- nige von den heutigen Gelehrten thun, be- haupten will: Die Erſchaffung einer Welt, die ohne eine Erhaltung und Re- gierung nicht beſtehen koͤnne, ſey wider die Vollkommenheiten GOttes; der muß erſt beweiſen, daß eine Welt moͤglich ſey, die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/422
Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 390[386]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/422>, abgerufen am 28.11.2024.