Man nehme endlich an, die Gnugthu- ung JEsu Christi und die darauf erzeigte göttliche Gnade offenbahre gewisse Eigen- schaften GOttes, ingleichen die Natur der Sünde und deren heßliche Gestalt auf eine deutlichere Weise als alle andere Arten Sünde zu vergeben. Man setze, es gä- be dieses vielen von den freyen Geschöpf- fen die trifftigsten Bewegungsgründe, das höchste Wesen zu lieben und zu vereh- ren, die Sünde zu verabscheuen, und das zu suchen, was zur wahren Ruhe ihrer Seelen dienet; so lässet sich aber- mahls eine dem höchsten Wesen anstän- dige Absicht zeigen, welche dasselbe hat bewegen können ohne Blutvergiessen ei- nes Mittlers die Sünden nicht zu erlas- sen. Denn können hierdurch mehr See- len gewonnen und glücklich gemacht wer- den, als durch eine andere Art Gnade zu erzeigen, so ist es der Weisheit und Güte GOttes gemäß selbige zu erwehlen.
§. 35.
Die blos- se Ver- nunft kan nicht ur- theilen, ob die Gnugthu-
Wir führen die Möglichkeit hinläng- licher Ursachen, die GOtt bewegen kön- nen durch einen Bürgen unsere Schulden hinwegzunehmen, dieserwegen an. Es giebt Leute, welche erst die Vernunft fra- gen, ob GOtt eine fremde Gnugthuung
habe
§. 34.
Dritte moͤgliche Abſicht.
Man nehme endlich an, die Gnugthu- ung JEſu Chriſti und die darauf erzeigte goͤttliche Gnade offenbahre gewiſſe Eigen- ſchaften GOttes, ingleichen die Natur der Suͤnde und deren heßliche Geſtalt auf eine deutlichere Weiſe als alle andere Arten Suͤnde zu vergeben. Man ſetze, es gaͤ- be dieſes vielen von den freyen Geſchoͤpf- fen die trifftigſten Bewegungsgruͤnde, das hoͤchſte Weſen zu lieben und zu vereh- ren, die Suͤnde zu verabſcheuen, und das zu ſuchen, was zur wahren Ruhe ihrer Seelen dienet; ſo laͤſſet ſich aber- mahls eine dem hoͤchſten Weſen anſtaͤn- dige Abſicht zeigen, welche daſſelbe hat bewegen koͤnnen ohne Blutvergieſſen ei- nes Mittlers die Suͤnden nicht zu erlaſ- ſen. Denn koͤnnen hierdurch mehr See- len gewonnen und gluͤcklich gemacht wer- den, als durch eine andere Art Gnade zu erzeigen, ſo iſt es der Weisheit und Guͤte GOttes gemaͤß ſelbige zu erwehlen.
§. 35.
Die bloſ- ſe Ver- nunft kan nicht ur- theilen, ob die Gnugthu-
Wir fuͤhren die Moͤglichkeit hinlaͤng- licher Urſachen, die GOtt bewegen koͤn- nen durch einen Buͤrgen unſere Schulden hinwegzunehmen, dieſerwegen an. Es giebt Leute, welche erſt die Vernunft fra- gen, ob GOtt eine fremde Gnugthuung
habe
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[380[376]/0412]
§. 34.
Man nehme endlich an, die Gnugthu-
ung JEſu Chriſti und die darauf erzeigte
goͤttliche Gnade offenbahre gewiſſe Eigen-
ſchaften GOttes, ingleichen die Natur der
Suͤnde und deren heßliche Geſtalt auf eine
deutlichere Weiſe als alle andere Arten
Suͤnde zu vergeben. Man ſetze, es gaͤ-
be dieſes vielen von den freyen Geſchoͤpf-
fen die trifftigſten Bewegungsgruͤnde,
das hoͤchſte Weſen zu lieben und zu vereh-
ren, die Suͤnde zu verabſcheuen, und
das zu ſuchen, was zur wahren Ruhe
ihrer Seelen dienet; ſo laͤſſet ſich aber-
mahls eine dem hoͤchſten Weſen anſtaͤn-
dige Abſicht zeigen, welche daſſelbe hat
bewegen koͤnnen ohne Blutvergieſſen ei-
nes Mittlers die Suͤnden nicht zu erlaſ-
ſen. Denn koͤnnen hierdurch mehr See-
len gewonnen und gluͤcklich gemacht wer-
den, als durch eine andere Art Gnade
zu erzeigen, ſo iſt es der Weisheit und
Guͤte GOttes gemaͤß ſelbige zu erwehlen.
§. 35.
Wir fuͤhren die Moͤglichkeit hinlaͤng-
licher Urſachen, die GOtt bewegen koͤn-
nen durch einen Buͤrgen unſere Schulden
hinwegzunehmen, dieſerwegen an. Es
giebt Leute, welche erſt die Vernunft fra-
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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 380[376]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/412>, abgerufen am 24.11.2024.
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