Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.net. Wer niemahls in betrübten Umstän- den gewesen, wird durch das Elend eines andern nicht gar leicht, und auch nicht sehr gerühret werden. Wer aber selbst viel Widriges versucht und ausgestanden, dem werden durch die Einbildungs-Krafft bey Erblickung eines andern Elenden, sei- ne ehmahligen Schmertzen und Betrübniß wieder ins Gemüth gebracht, und daher entstehet denn bey einem solchen, ein Mit- leiden. Christus wird auf gleiche Weise barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch ähnliche Ubungen hat er Gehorsam geler- net. Wir lesen dieses Ebr. 5. v. 8. und wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er leidet, Gehorsam geler- net. Und da er vollendet ist, oder wie es eigentlicher lauten möchte, und da er (nachdem er nemlich durch allerhand Lei- den und Versuchungen geübet, und in sei- nen natürlichen Vollkommenheiten befesti- get worden) vollkommen worden, ist er worden allen, die ihm gehorsam sind, eine Ursache zur ewigen Seligkeit. Er solte nemlich vor die Sünde der gefallenen Men- schen genug thun: hierzu aber war nöthig, daß er selber keine Sünde hatte. Dahe- ro wurde er in solcher Unschuld gebohren, als
net. Wer niemahls in betruͤbten Umſtaͤn- den geweſen, wird durch das Elend eines andern nicht gar leicht, und auch nicht ſehr geruͤhret werden. Wer aber ſelbſt viel Widriges verſucht und ausgeſtanden, dem werden durch die Einbildungs-Krafft bey Erblickung eines andern Elenden, ſei- ne ehmahligen Schmertzen und Betruͤbniß wieder ins Gemuͤth gebracht, und daher entſtehet denn bey einem ſolchen, ein Mit- leiden. Chriſtus wird auf gleiche Weiſe barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch aͤhnliche Ubungen hat er Gehorſam geler- net. Wir leſen dieſes Ebr. 5. v. 8. und wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch an dem, das er leidet, Gehorſam geler- net. Und da er vollendet iſt, oder wie es eigentlicher lauten moͤchte, und da er (nachdem er nemlich durch allerhand Lei- den und Verſuchungen geuͤbet, und in ſei- nen natuͤrlichen Vollkommenheiten befeſti- get worden) vollkommen worden, iſt er worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine Urſache zur ewigen Seligkeit. Er ſolte nemlich vor die Suͤnde der gefallenen Men- ſchen genug thun: hierzu aber war noͤthig, daß er ſelber keine Suͤnde hatte. Dahe- ro wurde er in ſolcher Unſchuld gebohren, als
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0248" n="216[212]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> net. Wer niemahls in betruͤbten Umſtaͤn-<lb/> den geweſen, wird durch das Elend eines<lb/> andern nicht gar leicht, und auch nicht<lb/> ſehr geruͤhret werden. Wer aber ſelbſt<lb/> viel Widriges verſucht und ausgeſtanden,<lb/> dem werden durch die Einbildungs-Krafft<lb/> bey Erblickung eines andern Elenden, ſei-<lb/> ne ehmahligen Schmertzen und Betruͤbniß<lb/> wieder ins Gemuͤth gebracht, und daher<lb/> entſtehet denn bey einem ſolchen, ein Mit-<lb/> leiden. Chriſtus wird auf gleiche Weiſe<lb/> barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch<lb/> aͤhnliche Ubungen hat er Gehorſam geler-<lb/> net. Wir leſen dieſes Ebr. 5. v. 8. und<lb/> wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch<lb/> an dem, das er leidet, <hi rendition="#fr">Gehorſam geler-<lb/> net.</hi> Und da er vollendet iſt, oder wie<lb/> es eigentlicher lauten moͤchte, und da er<lb/> (nachdem er nemlich durch allerhand Lei-<lb/> den und Verſuchungen geuͤbet, und in ſei-<lb/> nen natuͤrlichen Vollkommenheiten befeſti-<lb/> get worden) vollkommen worden, iſt er<lb/> worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine<lb/> Urſache zur ewigen Seligkeit. Er ſolte<lb/> nemlich vor die Suͤnde der gefallenen Men-<lb/> ſchen genug thun: hierzu aber war noͤthig,<lb/> daß er ſelber keine Suͤnde hatte. Dahe-<lb/> ro wurde er in ſolcher Unſchuld gebohren,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [216[212]/0248]
net. Wer niemahls in betruͤbten Umſtaͤn-
den geweſen, wird durch das Elend eines
andern nicht gar leicht, und auch nicht
ſehr geruͤhret werden. Wer aber ſelbſt
viel Widriges verſucht und ausgeſtanden,
dem werden durch die Einbildungs-Krafft
bey Erblickung eines andern Elenden, ſei-
ne ehmahligen Schmertzen und Betruͤbniß
wieder ins Gemuͤth gebracht, und daher
entſtehet denn bey einem ſolchen, ein Mit-
leiden. Chriſtus wird auf gleiche Weiſe
barmhertzig und mitleidig gemacht. Durch
aͤhnliche Ubungen hat er Gehorſam geler-
net. Wir leſen dieſes Ebr. 5. v. 8. und
wiewol er GOttes Sohn war, hat er doch
an dem, das er leidet, Gehorſam geler-
net. Und da er vollendet iſt, oder wie
es eigentlicher lauten moͤchte, und da er
(nachdem er nemlich durch allerhand Lei-
den und Verſuchungen geuͤbet, und in ſei-
nen natuͤrlichen Vollkommenheiten befeſti-
get worden) vollkommen worden, iſt er
worden allen, die ihm gehorſam ſind, eine
Urſache zur ewigen Seligkeit. Er ſolte
nemlich vor die Suͤnde der gefallenen Men-
ſchen genug thun: hierzu aber war noͤthig,
daß er ſelber keine Suͤnde hatte. Dahe-
ro wurde er in ſolcher Unſchuld gebohren,
als
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |