Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.Damit ich dieses beweise, so stelle dir vor, geehrtester Leser, GOtt wolte dir die Gna- de erweisen und offenbahren, welcher Tod dich aus der Zeitlichkeit würde hinweg raf- fen, damit du dich desto besser zu einem se- ligen Abschiede schicken köntest. GOtt sähe aber nach seiner Allwissenheit zum voraus, du würdest den 6ten May 1738. über ein Steg gehen, ein Schwindel im Haupte würde deine Füße wanckend machen, daß du vom Stege herunter in das Wasser fielest, und durch die Gewalt desselben fortgerissen und ersäufft würdest. Setze, GOtt wolte dir dieses mit ausdrücklichen Worten auf das allergenaueste nebst der Gegend, dem Jah- re, dem Tage und der Stunde vorher ver- kündigen, würde alsdenn diese Offenbah- rung wohl eintreffen, würdest du nicht an demselben Tage dich vor dem Wasser hü- ten? Würdest du wohl über das bedeu- tete Steg gehen? Würdest du nicht viel- mehr zu Hause bleiben, und diesen Tag vorbey streichen lassen, ohne deinen Fuß über ein Wasser zu setzen? Wie soll sich die ewige Weißheit hierbey verhalten? Of- fenbahret sie dir dieses nicht, so stirbest du nach unserer angenommenen Bedingung unvermuthet und unbereitet, welches doch, wie E 3
Damit ich dieſes beweiſe, ſo ſtelle dir vor, geehrteſter Leſer, GOtt wolte dir die Gna- de erweiſen und offenbahren, welcher Tod dich aus der Zeitlichkeit wuͤrde hinweg raf- fen, damit du dich deſto beſſer zu einem ſe- ligen Abſchiede ſchicken koͤnteſt. GOtt ſaͤhe aber nach ſeiner Allwiſſenheit zum voraus, du wuͤrdeſt den 6ten May 1738. uͤber ein Steg gehen, ein Schwindel im Haupte wuͤrde deine Fuͤße wanckend machen, daß du vom Stege herunter in das Waſſer fieleſt, und durch die Gewalt deſſelben fortgeriſſen und erſaͤufft wuͤrdeſt. Setze, GOtt wolte dir dieſes mit ausdruͤcklichen Worten auf das allergenaueſte nebſt der Gegend, dem Jah- re, dem Tage und der Stunde vorher ver- kuͤndigen, wuͤrde alsdenn dieſe Offenbah- rung wohl eintreffen, wuͤrdeſt du nicht an demſelben Tage dich vor dem Waſſer huͤ- ten? Wuͤrdeſt du wohl uͤber das bedeu- tete Steg gehen? Wuͤrdeſt du nicht viel- mehr zu Hauſe bleiben, und dieſen Tag vorbey ſtreichen laſſen, ohne deinen Fuß uͤber ein Waſſer zu ſetzen? Wie ſoll ſich die ewige Weißheit hierbey verhalten? Of- fenbahret ſie dir dieſes nicht, ſo ſtirbeſt du nach unſerer angenommenen Bedingung unvermuthet und unbereitet, welches doch, wie E 3
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Damit ich dieſes beweiſe, ſo ſtelle dir vor,
geehrteſter Leſer, GOtt wolte dir die Gna-
de erweiſen und offenbahren, welcher Tod
dich aus der Zeitlichkeit wuͤrde hinweg raf-
fen, damit du dich deſto beſſer zu einem ſe-
ligen Abſchiede ſchicken koͤnteſt. GOtt ſaͤhe
aber nach ſeiner Allwiſſenheit zum voraus,
du wuͤrdeſt den 6ten May 1738. uͤber ein Steg
gehen, ein Schwindel im Haupte wuͤrde
deine Fuͤße wanckend machen, daß du vom
Stege herunter in das Waſſer fieleſt, und
durch die Gewalt deſſelben fortgeriſſen und
erſaͤufft wuͤrdeſt. Setze, GOtt wolte dir
dieſes mit ausdruͤcklichen Worten auf das
allergenaueſte nebſt der Gegend, dem Jah-
re, dem Tage und der Stunde vorher ver-
kuͤndigen, wuͤrde alsdenn dieſe Offenbah-
rung wohl eintreffen, wuͤrdeſt du nicht an
demſelben Tage dich vor dem Waſſer huͤ-
ten? Wuͤrdeſt du wohl uͤber das bedeu-
tete Steg gehen? Wuͤrdeſt du nicht viel-
mehr zu Hauſe bleiben, und dieſen Tag
vorbey ſtreichen laſſen, ohne deinen Fuß
uͤber ein Waſſer zu ſetzen? Wie ſoll ſich
die ewige Weißheit hierbey verhalten? Of-
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Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/105>, abgerufen am 16.07.2024. |