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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Steigen wir von der Helden-Sitte bis
zum gefälligen Wesen unserer Tage herab;
überall sehen wir am meisten geehrt, was
Obermacht des Gedankens über sinn-
liche Triebe
beweiset. Die Lebensarten
mögen noch so verschieden seyn, die Gebräuche
noch so mannichfaltig und abwechselnd; diese
Begriffe halten, bey genauer Untersuchung,
überall Stand; sie erstrecken sich bis auf die
Urtheile von Mienen und Geberden, und füh-
ren uns selbst zur Quelle aller Gefühle von An-
ständigem und Unanständigem. Wo Gedanke
den Menschen zu verlassen scheint; wo er ganz
in des Triebes Gewalt ist; wo er diesen nur
die Oberhand gewinnen läßt; nur der Ge-
fahr
sich aussetzt, von ihm übermeistert zu
werden: da fühlen wir Unanständigkeit.

Es ist gerade zum Vortheile der Grund-
sätze, was Sie am Anfange Ihres Briefes von
den widersprechenden Erscheinungen im Men-
schen anführen, wo ihm wechselsweise seine
Weisheit zur Thorheit, und seine Thorheit zur

Steigen wir von der Helden-Sitte bis
zum gefaͤlligen Weſen unſerer Tage herab;
uͤberall ſehen wir am meiſten geehrt, was
Obermacht des Gedankens uͤber ſinn-
liche Triebe
beweiſet. Die Lebensarten
moͤgen noch ſo verſchieden ſeyn, die Gebraͤuche
noch ſo mannichfaltig und abwechſelnd; dieſe
Begriffe halten, bey genauer Unterſuchung,
uͤberall Stand; ſie erſtrecken ſich bis auf die
Urtheile von Mienen und Geberden, und fuͤh-
ren uns ſelbſt zur Quelle aller Gefuͤhle von An-
ſtaͤndigem und Unanſtaͤndigem. Wo Gedanke
den Menſchen zu verlaſſen ſcheint; wo er ganz
in des Triebes Gewalt iſt; wo er dieſen nur
die Oberhand gewinnen laͤßt; nur der Ge-
fahr
ſich ausſetzt, von ihm uͤbermeiſtert zu
werden: da fuͤhlen wir Unanſtaͤndigkeit.

Es iſt gerade zum Vortheile der Grund-
ſaͤtze, was Sie am Anfange Ihres Briefes von
den widerſprechenden Erſcheinungen im Men-
ſchen anfuͤhren, wo ihm wechſelsweiſe ſeine
Weisheit zur Thorheit, und ſeine Thorheit zur

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[269/0307] Steigen wir von der Helden-Sitte bis zum gefaͤlligen Weſen unſerer Tage herab; uͤberall ſehen wir am meiſten geehrt, was Obermacht des Gedankens uͤber ſinn- liche Triebe beweiſet. Die Lebensarten moͤgen noch ſo verſchieden ſeyn, die Gebraͤuche noch ſo mannichfaltig und abwechſelnd; dieſe Begriffe halten, bey genauer Unterſuchung, uͤberall Stand; ſie erſtrecken ſich bis auf die Urtheile von Mienen und Geberden, und fuͤh- ren uns ſelbſt zur Quelle aller Gefuͤhle von An- ſtaͤndigem und Unanſtaͤndigem. Wo Gedanke den Menſchen zu verlaſſen ſcheint; wo er ganz in des Triebes Gewalt iſt; wo er dieſen nur die Oberhand gewinnen laͤßt; nur der Ge- fahr ſich ausſetzt, von ihm uͤbermeiſtert zu werden: da fuͤhlen wir Unanſtaͤndigkeit. Es iſt gerade zum Vortheile der Grund- ſaͤtze, was Sie am Anfange Ihres Briefes von den widerſprechenden Erſcheinungen im Men- ſchen anfuͤhren, wo ihm wechſelsweiſe ſeine Weisheit zur Thorheit, und ſeine Thorheit zur

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/307>, abgerufen am 24.11.2024.