sichert dich, daß er dich innig liebt, wie du dich selbst, und wie du ihn liebest; und du hast Recht so an ihn zu glauben; dein ist seine ganze Liebe. Aber, armes Kind! Allwill liebt nie anders; er ist immer seinem Gegenstande ganz; morgen vielleicht -- der Ehre; einem vortreflichen Manne; ei- ner Kunst; vielleicht -- einer neuen Ge- liebten. -- Sieh, dieser Allwill -- der Un- glückliche! muß unstät und flüchtig seyn; er ist verflucht auf Erden -- aber gezeichnet mit dem Finger Gottes; daß kein Mensch Hand an ihn zu legen wagt. -- Eduard, guter Eduard! jammert Dich nicht das arme Geschöpf? O so schone denn! schone, schone! --
Aber, was hilft mein Flehen; was hülfe das Flehen einer Welt? Deine Sinne, Dei- ne Begierden sind Dir zu mächtig; und da sie eine so bequeme täuschende Hülle an Deiner schönen Fantasie haben, wirst Du nie sie für das erkennen, was sie sind. Ach, die Bedürf-
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ſichert dich, daß er dich innig liebt, wie du dich ſelbſt, und wie du ihn liebeſt; und du haſt Recht ſo an ihn zu glauben; dein iſt ſeine ganze Liebe. Aber, armes Kind! Allwill liebt nie anders; er iſt immer ſeinem Gegenſtande ganz; morgen vielleicht — der Ehre; einem vortreflichen Manne; ei- ner Kunſt; vielleicht — einer neuen Ge- liebten. — Sieh, dieſer Allwill — der Un- gluͤckliche! muß unſtaͤt und fluͤchtig ſeyn; er iſt verflucht auf Erden — aber gezeichnet mit dem Finger Gottes; daß kein Menſch Hand an ihn zu legen wagt. — Eduard, guter Eduard! jammert Dich nicht das arme Geſchoͤpf? O ſo ſchone denn! ſchone, ſchone! —
Aber, was hilft mein Flehen; was huͤlfe das Flehen einer Welt? Deine Sinne, Dei- ne Begierden ſind Dir zu maͤchtig; und da ſie eine ſo bequeme taͤuſchende Huͤlle an Deiner ſchoͤnen Fantaſie haben, wirſt Du nie ſie fuͤr das erkennen, was ſie ſind. Ach, die Beduͤrf-
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ſichert dich, daß er dich innig liebt, wie
du dich ſelbſt, und wie du ihn liebeſt;
und du haſt Recht ſo an ihn zu glauben;
dein iſt ſeine ganze Liebe. Aber, armes
Kind! Allwill liebt nie anders; er iſt immer
ſeinem Gegenſtande ganz; morgen vielleicht
— der Ehre; einem vortreflichen Manne; ei-
ner Kunſt; vielleicht — einer neuen Ge-
liebten. — Sieh, dieſer Allwill — der Un-
gluͤckliche! muß unſtaͤt und fluͤchtig ſeyn; er
iſt verflucht auf Erden — aber gezeichnet
mit dem Finger Gottes; daß kein
Menſch Hand an ihn zu legen wagt.
— Eduard, guter Eduard! jammert Dich
nicht das arme Geſchoͤpf? O ſo ſchone denn!
ſchone, ſchone! —
Aber, was hilft mein Flehen; was huͤlfe
das Flehen einer Welt? Deine Sinne, Dei-
ne Begierden ſind Dir zu maͤchtig; und da ſie
eine ſo bequeme taͤuſchende Huͤlle an Deiner
ſchoͤnen Fantaſie haben, wirſt Du nie ſie fuͤr
das erkennen, was ſie ſind. Ach, die Beduͤrf-
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/299>, abgerufen am 24.11.2024.
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