sind nicht für einander. Ich singe ein ganz anderes Lied, als wovon die Melodie auf die Walze eures heiligen moralischen Dudeldeys genagelt ist. Auch genießen wir ganz verschie- dene Kost; können nicht an Einem Tische mit einander sitzen; mein gesunder Verstand, mei- ne gesunden Sinne giengen mir bey eurer Kran- kendiät zu Schanden. Deswegen überlaßt mich meiner guten Natur; welche verlangt, daß ich jede Fähigkeit in mir erwachen, jede Kraft der Menschheit in mir rege werden lasse. Freylich drängt sichs da wohl einmal: aber die freye Bewegung hilft durch, paßt, sondert und ver- einigt, -- bessert auch. -- -- Du hohulä- chelst, weiser Mann? Was soll das lange Re- gister meiner Vergehungen, meiner Thorhei- ten? -- Sage, bin ich schlimmer, bin ich thörichter geworden, als ich war? -- bin ich schlimmer, thörichter, weniger glücklich, als du? -- -- Es wehet durch alle meine Em- pfindungen der lebendige Athem der Natur, der vermehrende, ewig neu gebährende. -- Laß ihn wehen! -- Ja, fallen werde ich noch
ſind nicht fuͤr einander. Ich ſinge ein ganz anderes Lied, als wovon die Melodie auf die Walze eures heiligen moraliſchen Dudeldeys genagelt iſt. Auch genießen wir ganz verſchie- dene Koſt; koͤnnen nicht an Einem Tiſche mit einander ſitzen; mein geſunder Verſtand, mei- ne geſunden Sinne giengen mir bey eurer Kran- kendiaͤt zu Schanden. Deswegen uͤberlaßt mich meiner guten Natur; welche verlangt, daß ich jede Faͤhigkeit in mir erwachen, jede Kraft der Menſchheit in mir rege werden laſſe. Freylich draͤngt ſichs da wohl einmal: aber die freye Bewegung hilft durch, paßt, ſondert und ver- einigt, — beſſert auch. — — Du hohulaͤ- chelſt, weiſer Mann? Was ſoll das lange Re- giſter meiner Vergehungen, meiner Thorhei- ten? — Sage, bin ich ſchlimmer, bin ich thoͤrichter geworden, als ich war? — bin ich ſchlimmer, thoͤrichter, weniger gluͤcklich, als du? — — Es wehet durch alle meine Em- pfindungen der lebendige Athem der Natur, der vermehrende, ewig neu gebaͤhrende. — Laß ihn wehen! — Ja, fallen werde ich noch
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ſind nicht fuͤr einander. Ich ſinge ein ganz
anderes Lied, als wovon die Melodie auf die
Walze eures heiligen moraliſchen Dudeldeys
genagelt iſt. Auch genießen wir ganz verſchie-
dene Koſt; koͤnnen nicht an Einem Tiſche mit
einander ſitzen; mein geſunder Verſtand, mei-
ne geſunden Sinne giengen mir bey eurer Kran-
kendiaͤt zu Schanden. Deswegen uͤberlaßt mich
meiner guten Natur; welche verlangt, daß ich
jede Faͤhigkeit in mir erwachen, jede Kraft der
Menſchheit in mir rege werden laſſe. Freylich
draͤngt ſichs da wohl einmal: aber die freye
Bewegung hilft durch, paßt, ſondert und ver-
einigt, — beſſert auch. — — Du hohulaͤ-
chelſt, weiſer Mann? Was ſoll das lange Re-
giſter meiner Vergehungen, meiner Thorhei-
ten? — Sage, bin ich ſchlimmer, bin ich
thoͤrichter geworden, als ich war? — bin ich
ſchlimmer, thoͤrichter, weniger gluͤcklich, als
du? — — Es wehet durch alle meine Em-
pfindungen der lebendige Athem der Natur,
der vermehrende, ewig neu gebaͤhrende. —
Laß ihn wehen! — Ja, fallen werde ich noch
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/275>, abgerufen am 25.11.2024.
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