Die Waldbeck genest. Und soll ich es Dir sagen, liebe Amalia, wie mir nun von dem allen ist? -- Sieh, die Nahrung, die ich mir so, hie und da, hole -- mein Herz, das da draussen etwas, wie von Liebe und Freund- schaft, seinem eigensten Wesen, ergreift; es ergreifts ohne Macht und Gewalt, es zu dem seinigen zu machen; es kann es nicht vereini- gen mit seinem Wesen; es gedeiht ihm nicht. Größeres Unbehagen folgt. Ich frage mich: Was ich will? was ich nicht will? -- Was seyn soll, kann, ist? -- Und da ichs nicht ins Reine zu bringen weiß, möchte ich oft alles nur noch mehr und ärger durcheinander gewirrt sehen.
Hier habe ich lange inne gehalten; ver- ließ endlich meinen Schreibtisch; kleidete mich an, und gieng zu Tische. Nun ists Abend. Eben sah ich von dem heute beständig mit Regenstürmen abwechselnden Sonnenschem den Glanz des Untergangs, des Abschieds. Dort
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Die Waldbeck geneſt. Und ſoll ich es Dir ſagen, liebe Amalia, wie mir nun von dem allen iſt? — Sieh, die Nahrung, die ich mir ſo, hie und da, hole — mein Herz, das da drauſſen etwas, wie von Liebe und Freund- ſchaft, ſeinem eigenſten Weſen, ergreift; es ergreifts ohne Macht und Gewalt, es zu dem ſeinigen zu machen; es kann es nicht vereini- gen mit ſeinem Weſen; es gedeiht ihm nicht. Groͤßeres Unbehagen folgt. Ich frage mich: Was ich will? was ich nicht will? — Was ſeyn ſoll, kann, iſt? — Und da ichs nicht ins Reine zu bringen weiß, moͤchte ich oft alles nur noch mehr und aͤrger durcheinander gewirrt ſehen.
Hier habe ich lange inne gehalten; ver- ließ endlich meinen Schreibtiſch; kleidete mich an, und gieng zu Tiſche. Nun iſts Abend. Eben ſah ich von dem heute beſtaͤndig mit Regenſtuͤrmen abwechſelnden Sonnenſchem den Glanz des Untergangs, des Abſchieds. Dort
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Die Waldbeck geneſt. Und ſoll ich es
Dir ſagen, liebe Amalia, wie mir nun von
dem allen iſt? — Sieh, die Nahrung, die
ich mir ſo, hie und da, hole — mein Herz, das
da drauſſen etwas, wie von Liebe und Freund-
ſchaft, ſeinem eigenſten Weſen, ergreift; es
ergreifts ohne Macht und Gewalt, es zu dem
ſeinigen zu machen; es kann es nicht vereini-
gen mit ſeinem Weſen; es gedeiht ihm nicht.
Groͤßeres Unbehagen folgt. Ich frage mich:
Was ich will? was ich nicht will? — Was
ſeyn ſoll, kann, iſt? — Und da ichs nicht
ins Reine zu bringen weiß, moͤchte ich oft
alles nur noch mehr und aͤrger durcheinander
gewirrt ſehen.
Hier habe ich lange inne gehalten; ver-
ließ endlich meinen Schreibtiſch; kleidete mich
an, und gieng zu Tiſche. Nun iſts Abend.
Eben ſah ich von dem heute beſtaͤndig mit
Regenſtuͤrmen abwechſelnden Sonnenſchem den
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/233>, abgerufen am 24.11.2024.
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