höchsten Wesens selbst wäre. Töne, Farben, und was alles wir noch sonst, als bloßes Sinnenspiel und wesenlose Täuschungen betrachten mögen, wird einmal als Anschauung des Wahren aus einem größeren Zusammen- hange neu hervorgehen, und den Grund des Mißverstandes uns erkennen lassen, der uns so unsäglich geneigt machte, in das Buch der Natur einen besseren Sinn immer nur hinein radieren zu wollen (*).
Wir wurden durch die Botschaft: das Nachtessen sey aufgetragen, unterbrochen. All- will fragte mich noch beym Aufstehen vom Clavier: ob ich mit Plato bekannt sey? -- Weiter nicht, sagte ich, als durch das, was Clerdon uns von Zeit zu Zeit daraus erzählt hätte. So wüßte ich, z. B. daß die Seele Flügel hätte und wieder bekommen könnte. --
(*) Diese letzten Worte scheinen auf eine Stelle des Tristram Shandy Th. III. C. 37. an- zuspielen.
L 3
hoͤchſten Weſens ſelbſt waͤre. Toͤne, Farben, und was alles wir noch ſonſt, als bloßes Sinnenſpiel und weſenloſe Taͤuſchungen betrachten moͤgen, wird einmal als Anſchauung des Wahren aus einem groͤßeren Zuſammen- hange neu hervorgehen, und den Grund des Mißverſtandes uns erkennen laſſen, der uns ſo unſaͤglich geneigt machte, in das Buch der Natur einen beſſeren Sinn immer nur hinein radieren zu wollen (*).
Wir wurden durch die Botſchaft: das Nachteſſen ſey aufgetragen, unterbrochen. All- will fragte mich noch beym Aufſtehen vom Clavier: ob ich mit Plato bekannt ſey? — Weiter nicht, ſagte ich, als durch das, was Clerdon uns von Zeit zu Zeit daraus erzaͤhlt haͤtte. So wuͤßte ich, z. B. daß die Seele Fluͤgel haͤtte und wieder bekommen koͤnnte. —
(*) Dieſe letzten Worte ſcheinen auf eine Stelle des Triſtram Shandy Th. III. C. 37. an- zuſpielen.
L 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><div><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0203"n="165"/>
hoͤchſten Weſens ſelbſt</hi> waͤre. Toͤne,<lb/>
Farben, und was alles wir noch ſonſt, als<lb/>
bloßes Sinnenſpiel und weſenloſe Taͤuſchungen<lb/>
betrachten moͤgen, wird einmal als Anſchauung<lb/>
des Wahren aus einem groͤßeren Zuſammen-<lb/>
hange neu hervorgehen, und den Grund des<lb/>
Mißverſtandes uns erkennen laſſen, der uns<lb/>ſo unſaͤglich geneigt machte, in das Buch der<lb/>
Natur einen beſſeren Sinn immer nur hinein<lb/><hirendition="#g"><hirendition="#fr">radieren</hi></hi> zu wollen <noteplace="foot"n="(*)">Dieſe letzten Worte ſcheinen auf eine Stelle<lb/>
des Triſtram Shandy Th. <hirendition="#aq">III.</hi> C. 37. an-<lb/>
zuſpielen.</note>.</p><lb/><p>Wir wurden durch die Botſchaft: das<lb/>
Nachteſſen ſey aufgetragen, unterbrochen. All-<lb/>
will fragte mich noch beym Aufſtehen vom<lb/>
Clavier: <hirendition="#g">ob ich mit Plato bekannt ſey</hi>?<lb/>— Weiter nicht, ſagte ich, als durch das,<lb/>
was Clerdon uns von Zeit zu Zeit daraus<lb/>
erzaͤhlt haͤtte. So wuͤßte ich, z. B. daß die Seele<lb/>
Fluͤgel haͤtte und wieder bekommen koͤnnte. —<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L 3</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[165/0203]
hoͤchſten Weſens ſelbſt waͤre. Toͤne,
Farben, und was alles wir noch ſonſt, als
bloßes Sinnenſpiel und weſenloſe Taͤuſchungen
betrachten moͤgen, wird einmal als Anſchauung
des Wahren aus einem groͤßeren Zuſammen-
hange neu hervorgehen, und den Grund des
Mißverſtandes uns erkennen laſſen, der uns
ſo unſaͤglich geneigt machte, in das Buch der
Natur einen beſſeren Sinn immer nur hinein
radieren zu wollen (*).
Wir wurden durch die Botſchaft: das
Nachteſſen ſey aufgetragen, unterbrochen. All-
will fragte mich noch beym Aufſtehen vom
Clavier: ob ich mit Plato bekannt ſey?
— Weiter nicht, ſagte ich, als durch das,
was Clerdon uns von Zeit zu Zeit daraus
erzaͤhlt haͤtte. So wuͤßte ich, z. B. daß die Seele
Fluͤgel haͤtte und wieder bekommen koͤnnte. —
(*) Dieſe letzten Worte ſcheinen auf eine Stelle
des Triſtram Shandy Th. III. C. 37. an-
zuſpielen.
L 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/203>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.