Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Fragmente. Unser Wissen ist Stückwerk. Die
sichtbare Welt muß dem zum Himmel erschaf-
fenen Geiste eine Wüste scheinen, ähnlich jener
Wüste, worin sich für Tausende, welche der
Hunger verzehrte, nur fünf Brodte und zwey
Fische fanden. Aber die Brodte, die uns Gott
aufträgt, mögen noch so kümmerlich aussehen,
die Fische noch so klein seyn; sie sind gesegnet:
wir mit ihnen sind gesegnet von einem allmäch-
tigen, wunderthätigen, Geheimnißvollen Gott.

" .... Ist es nicht unser Geist selbst,
der über seine Entfernung vom Wahren und
Wesentlichen klagt; durch diese Klage seinen
hohen Ursprung verräth; selbst ein Zeichen da-
von giebt, dadurch, daß er sich als einen
Schöpfer über die sinnlichen Eindrücke er-
hebt, daß er sie fruchtbar macht, sie zu einem
Gerüste fügt und baut, um den Himmel zu
ersteigen, oder -- sich Götzen schafft, für die
er Ziegel brennt und Stoppeln zusammensucht.

".... Jene philosophische Neugierde,

L

Fragmente. Unſer Wiſſen iſt Stuͤckwerk. Die
ſichtbare Welt muß dem zum Himmel erſchaf-
fenen Geiſte eine Wuͤſte ſcheinen, aͤhnlich jener
Wuͤſte, worin ſich fuͤr Tauſende, welche der
Hunger verzehrte, nur fuͤnf Brodte und zwey
Fiſche fanden. Aber die Brodte, die uns Gott
auftraͤgt, moͤgen noch ſo kuͤmmerlich ausſehen,
die Fiſche noch ſo klein ſeyn; ſie ſind geſegnet:
wir mit ihnen ſind geſegnet von einem allmaͤch-
tigen, wunderthaͤtigen, Geheimnißvollen Gott.

„ .... Iſt es nicht unſer Geiſt ſelbſt,
der uͤber ſeine Entfernung vom Wahren und
Weſentlichen klagt; durch dieſe Klage ſeinen
hohen Urſprung verraͤth; ſelbſt ein Zeichen da-
von giebt, dadurch, daß er ſich als einen
Schoͤpfer uͤber die ſinnlichen Eindruͤcke er-
hebt, daß er ſie fruchtbar macht, ſie zu einem
Geruͤſte fuͤgt und baut, um den Himmel zu
erſteigen, oder — ſich Goͤtzen ſchafft, fuͤr die
er Ziegel brennt und Stoppeln zuſammenſucht.

„.... Jene philoſophiſche Neugierde,

L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0199" n="161"/>
Fragmente. Un&#x017F;er Wi&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t Stu&#x0364;ckwerk. Die<lb/>
&#x017F;ichtbare Welt muß dem zum Himmel er&#x017F;chaf-<lb/>
fenen Gei&#x017F;te eine Wu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;cheinen, a&#x0364;hnlich jener<lb/>
Wu&#x0364;&#x017F;te, worin &#x017F;ich fu&#x0364;r Tau&#x017F;ende, welche der<lb/>
Hunger verzehrte, nur fu&#x0364;nf Brodte und zwey<lb/>
Fi&#x017F;che fanden. Aber die Brodte, die uns Gott<lb/>
auftra&#x0364;gt, mo&#x0364;gen noch &#x017F;o ku&#x0364;mmerlich aus&#x017F;ehen,<lb/>
die Fi&#x017F;che noch &#x017F;o klein &#x017F;eyn; &#x017F;ie &#x017F;ind ge&#x017F;egnet:<lb/>
wir mit ihnen &#x017F;ind ge&#x017F;egnet von einem allma&#x0364;ch-<lb/>
tigen, wundertha&#x0364;tigen, Geheimnißvollen Gott.</p><lb/>
            <p>&#x201E; .... I&#x017F;t es nicht un&#x017F;er Gei&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
der u&#x0364;ber &#x017F;eine Entfernung vom Wahren und<lb/>
We&#x017F;entlichen klagt; durch die&#x017F;e Klage &#x017F;einen<lb/>
hohen Ur&#x017F;prung verra&#x0364;th; &#x017F;elb&#x017F;t ein Zeichen da-<lb/>
von giebt, dadurch, daß er &#x017F;ich als einen<lb/><hi rendition="#g">Scho&#x0364;pfer</hi> u&#x0364;ber die &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke er-<lb/>
hebt, daß er &#x017F;ie fruchtbar macht, &#x017F;ie zu einem<lb/>
Geru&#x0364;&#x017F;te fu&#x0364;gt und baut, um den Himmel zu<lb/>
er&#x017F;teigen, oder &#x2014; &#x017F;ich Go&#x0364;tzen &#x017F;chafft, fu&#x0364;r die<lb/>
er Ziegel brennt und Stoppeln zu&#x017F;ammen&#x017F;ucht.</p><lb/>
            <p>&#x201E;.... Jene philo&#x017F;ophi&#x017F;che Neugierde,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0199] Fragmente. Unſer Wiſſen iſt Stuͤckwerk. Die ſichtbare Welt muß dem zum Himmel erſchaf- fenen Geiſte eine Wuͤſte ſcheinen, aͤhnlich jener Wuͤſte, worin ſich fuͤr Tauſende, welche der Hunger verzehrte, nur fuͤnf Brodte und zwey Fiſche fanden. Aber die Brodte, die uns Gott auftraͤgt, moͤgen noch ſo kuͤmmerlich ausſehen, die Fiſche noch ſo klein ſeyn; ſie ſind geſegnet: wir mit ihnen ſind geſegnet von einem allmaͤch- tigen, wunderthaͤtigen, Geheimnißvollen Gott. „ .... Iſt es nicht unſer Geiſt ſelbſt, der uͤber ſeine Entfernung vom Wahren und Weſentlichen klagt; durch dieſe Klage ſeinen hohen Urſprung verraͤth; ſelbſt ein Zeichen da- von giebt, dadurch, daß er ſich als einen Schoͤpfer uͤber die ſinnlichen Eindruͤcke er- hebt, daß er ſie fruchtbar macht, ſie zu einem Geruͤſte fuͤgt und baut, um den Himmel zu erſteigen, oder — ſich Goͤtzen ſchafft, fuͤr die er Ziegel brennt und Stoppeln zuſammenſucht. „.... Jene philoſophiſche Neugierde, L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/199
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/199>, abgerufen am 21.11.2024.