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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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ger, als sein Leben, ab. Clemens nennt ihn
einen Besessenen, dem es fast in keinem
Falle gestattet sey, willkührlich zu handeln. --
Ein schrecklicher Charakter! -- Und was für
ein Göttliches Ansehen der Mensch ha-
ben muß, wenn er das Gute, das Schöne ver-
folgt! -- O, hütet euch! O, flieht! -- Du
Lenore besonders; du mit dem zarten durch-
dringlichen Sinn! -- Glaube mir, Beste!
Liebe macht uns Weiber immer unglücklich. Die
Männer verdienen so wenig das Opfer unseres
Daseyns, daß sie nicht einmal anzunehmen
wissen, was wir ihnen geben. Das Glück ein
ganzes Herz zu besitzen -- wie sollten sie
das schätzen können, da ihr Herz nie einen
Augenblick ganz, nie ein Gefühl des Herzens
bey ihnen lauter ist? Keine Wonne, nicht
die höchste der Menschheit, gilt ihnen so viel,
daß sie dieselbe rein bewahrten. Keine Em-
pfindung ist ihnen in dem Grade lieb, daß sie
nicht durch eckelhafte Vermischungen sie
trübten, ihr Bild entweihten. Die Fülle
des Köstlichen
-- die schmecken sie nie,

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ger, als ſein Leben, ab. Clemens nennt ihn
einen Beſeſſenen, dem es faſt in keinem
Falle geſtattet ſey, willkuͤhrlich zu handeln. —
Ein ſchrecklicher Charakter! — Und was fuͤr
ein Goͤttliches Anſehen der Menſch ha-
ben muß, wenn er das Gute, das Schoͤne ver-
folgt! — O, huͤtet euch! O, flieht! — Du
Lenore beſonders; du mit dem zarten durch-
dringlichen Sinn! — Glaube mir, Beſte!
Liebe macht uns Weiber immer ungluͤcklich. Die
Maͤnner verdienen ſo wenig das Opfer unſeres
Daſeyns, daß ſie nicht einmal anzunehmen
wiſſen, was wir ihnen geben. Das Gluͤck ein
ganzes Herz zu beſitzen — wie ſollten ſie
das ſchaͤtzen koͤnnen, da ihr Herz nie einen
Augenblick ganz, nie ein Gefuͤhl des Herzens
bey ihnen lauter iſt? Keine Wonne, nicht
die hoͤchſte der Menſchheit, gilt ihnen ſo viel,
daß ſie dieſelbe rein bewahrten. Keine Em-
pfindung iſt ihnen in dem Grade lieb, daß ſie
nicht durch eckelhafte Vermiſchungen ſie
truͤbten, ihr Bild entweihten. Die Fuͤlle
des Koͤſtlichen
— die ſchmecken ſie nie,

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[117/0155] ger, als ſein Leben, ab. Clemens nennt ihn einen Beſeſſenen, dem es faſt in keinem Falle geſtattet ſey, willkuͤhrlich zu handeln. — Ein ſchrecklicher Charakter! — Und was fuͤr ein Goͤttliches Anſehen der Menſch ha- ben muß, wenn er das Gute, das Schoͤne ver- folgt! — O, huͤtet euch! O, flieht! — Du Lenore beſonders; du mit dem zarten durch- dringlichen Sinn! — Glaube mir, Beſte! Liebe macht uns Weiber immer ungluͤcklich. Die Maͤnner verdienen ſo wenig das Opfer unſeres Daſeyns, daß ſie nicht einmal anzunehmen wiſſen, was wir ihnen geben. Das Gluͤck ein ganzes Herz zu beſitzen — wie ſollten ſie das ſchaͤtzen koͤnnen, da ihr Herz nie einen Augenblick ganz, nie ein Gefuͤhl des Herzens bey ihnen lauter iſt? Keine Wonne, nicht die hoͤchſte der Menſchheit, gilt ihnen ſo viel, daß ſie dieſelbe rein bewahrten. Keine Em- pfindung iſt ihnen in dem Grade lieb, daß ſie nicht durch eckelhafte Vermiſchungen ſie truͤbten, ihr Bild entweihten. Die Fuͤlle des Koͤſtlichen — die ſchmecken ſie nie, H 3

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/155>, abgerufen am 24.11.2024.