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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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hierüber mit mir einig. Anfangs -- sie wur-
de Braut mit siebenzehn Jahren -- hat ihr
Mann weiter nichts als einen vorzüglichen
Grad der Hochachtung ihr abzugewinnen ver-
mocht; und bis auf diese Stunde weiß sie keine
eigentliche Rechenschaft zu geben, wie sie her-
nach allmählich sich so ganz an ihn verlohren
hat, daß ihr Herz nun alle seine Rege allein
von dem seinigen empfängt, ihre gesammten
Kräfte sich unverrückt in seinem Willen fühlen;
Freyheit, Leben, Glück, Thun und Seyn --
ihre ganze Seele hingewagt auf ihn. Ich weiß
nicht, ob es eine herrlichere Liebe geben kann,
als diese; wenn auch jene höhere, wovon ich
ehmals so wunderbare Ahndungen hatte, kein
leeres Hirngespinnst wäre; alle andere Liebe
ist doch gewiß nur Schaum dagegen. Wo fin-
dest du, bey den entgegengesetzten Eigenschaften
und Bedürfnissen der Menschen, diese innige
Theilnehmung, welche alle Kräfte in einen
Willen zusammenschmilzt, und den Menschen
wirklich verdoppelt? -- Hier ist sie! Die klei-
ne Welt, zu deren Schöpfung und Regierung

hieruͤber mit mir einig. Anfangs — ſie wur-
de Braut mit ſiebenzehn Jahren — hat ihr
Mann weiter nichts als einen vorzuͤglichen
Grad der Hochachtung ihr abzugewinnen ver-
mocht; und bis auf dieſe Stunde weiß ſie keine
eigentliche Rechenſchaft zu geben, wie ſie her-
nach allmaͤhlich ſich ſo ganz an ihn verlohren
hat, daß ihr Herz nun alle ſeine Rege allein
von dem ſeinigen empfaͤngt, ihre geſammten
Kraͤfte ſich unverruͤckt in ſeinem Willen fuͤhlen;
Freyheit, Leben, Gluͤck, Thun und Seyn —
ihre ganze Seele hingewagt auf ihn. Ich weiß
nicht, ob es eine herrlichere Liebe geben kann,
als dieſe; wenn auch jene hoͤhere, wovon ich
ehmals ſo wunderbare Ahndungen hatte, kein
leeres Hirngeſpinnſt waͤre; alle andere Liebe
iſt doch gewiß nur Schaum dagegen. Wo fin-
deſt du, bey den entgegengeſetzten Eigenſchaften
und Beduͤrfniſſen der Menſchen, dieſe innige
Theilnehmung, welche alle Kraͤfte in einen
Willen zuſammenſchmilzt, und den Menſchen
wirklich verdoppelt? — Hier iſt ſie! Die klei-
ne Welt, zu deren Schoͤpfung und Regierung

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[77/0115] hieruͤber mit mir einig. Anfangs — ſie wur- de Braut mit ſiebenzehn Jahren — hat ihr Mann weiter nichts als einen vorzuͤglichen Grad der Hochachtung ihr abzugewinnen ver- mocht; und bis auf dieſe Stunde weiß ſie keine eigentliche Rechenſchaft zu geben, wie ſie her- nach allmaͤhlich ſich ſo ganz an ihn verlohren hat, daß ihr Herz nun alle ſeine Rege allein von dem ſeinigen empfaͤngt, ihre geſammten Kraͤfte ſich unverruͤckt in ſeinem Willen fuͤhlen; Freyheit, Leben, Gluͤck, Thun und Seyn — ihre ganze Seele hingewagt auf ihn. Ich weiß nicht, ob es eine herrlichere Liebe geben kann, als dieſe; wenn auch jene hoͤhere, wovon ich ehmals ſo wunderbare Ahndungen hatte, kein leeres Hirngeſpinnſt waͤre; alle andere Liebe iſt doch gewiß nur Schaum dagegen. Wo fin- deſt du, bey den entgegengeſetzten Eigenſchaften und Beduͤrfniſſen der Menſchen, dieſe innige Theilnehmung, welche alle Kraͤfte in einen Willen zuſammenſchmilzt, und den Menſchen wirklich verdoppelt? — Hier iſt ſie! Die klei- ne Welt, zu deren Schoͤpfung und Regierung

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/115>, abgerufen am 24.11.2024.