der ich doch Amalien persönlich kenne, nicht einmal im Stande mir das Eigentliche dabey vorzustellen, wenn ich sie mir nicht in den be- stimmtesten Verhältnissen, als die Gattinn ihres Clerdon, als die Mutter ihrer Kinder, als die Frau ihres Hauses denke. Sage, ob Du etwas davon weißt, daß es einen besonderen Affect giebt, der sich Eheliche Liebe nennt; ganz verschieden von jener Leidenschaft, welche allgemein den Namen der Liebe trägt, und die ... Sa- ge, ist Dir das schon vorgekommen? Denn was rede ich sonst!
Ich wußte nichts davon; und diese neue Entdeckung in Clerdons Hause ist das interes- santeste, was sich jemals meiner Betrachtung dargeboten hat. Der eigentlichen Liebe scheint das schönere Geschlecht nicht fähig zu seyn; mir wenigstens ist noch kein Weib erschienen, das den Stoff dazu gehabt hätte. Amalien traue ich über diesen Punkt fast weniger als andern zu, und Clerdon und sie selbst sind
der ich doch Amalien perſoͤnlich kenne, nicht einmal im Stande mir das Eigentliche dabey vorzuſtellen, wenn ich ſie mir nicht in den be- ſtimmteſten Verhaͤltniſſen, als die Gattinn ihres Clerdon, als die Mutter ihrer Kinder, als die Frau ihres Hauſes denke. Sage, ob Du etwas davon weißt, daß es einen beſonderen Affect giebt, der ſich Eheliche Liebe nennt; ganz verſchieden von jener Leidenſchaft, welche allgemein den Namen der Liebe traͤgt, und die … Sa- ge, iſt Dir das ſchon vorgekommen? Denn was rede ich ſonſt!
Ich wußte nichts davon; und dieſe neue Entdeckung in Clerdons Hauſe iſt das intereſ- ſanteſte, was ſich jemals meiner Betrachtung dargeboten hat. Der eigentlichen Liebe ſcheint das ſchoͤnere Geſchlecht nicht faͤhig zu ſeyn; mir wenigſtens iſt noch kein Weib erſchienen, das den Stoff dazu gehabt haͤtte. Amalien traue ich uͤber dieſen Punkt faſt weniger als andern zu, und Clerdon und ſie ſelbſt ſind
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der ich doch Amalien perſoͤnlich kenne, nicht
einmal im Stande mir das Eigentliche dabey
vorzuſtellen, wenn ich ſie mir nicht in den be-
ſtimmteſten Verhaͤltniſſen, als die Gattinn
ihres Clerdon, als die Mutter ihrer
Kinder, als die Frau ihres Hauſes
denke. Sage, ob Du etwas davon weißt,
daß es einen beſonderen Affect giebt, der
ſich Eheliche Liebe nennt; ganz verſchieden
von jener Leidenſchaft, welche allgemein
den Namen der Liebe traͤgt, und die … Sa-
ge, iſt Dir das ſchon vorgekommen? Denn was
rede ich ſonſt!
Ich wußte nichts davon; und dieſe neue
Entdeckung in Clerdons Hauſe iſt das intereſ-
ſanteſte, was ſich jemals meiner Betrachtung
dargeboten hat. Der eigentlichen Liebe ſcheint
das ſchoͤnere Geſchlecht nicht faͤhig zu ſeyn;
mir wenigſtens iſt noch kein Weib erſchienen,
das den Stoff dazu gehabt haͤtte. Amalien
traue ich uͤber dieſen Punkt faſt weniger als
andern zu, und Clerdon und ſie ſelbſt ſind
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/114>, abgerufen am 24.11.2024.
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