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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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wird, einem Herzen nicht helfen, welches sich
weggegeben hatte und sich nun wieder zurückneh-
men muß. Dem hilft sicherlich auch ein Gott,
aber er steht in keinem Liede, sondern ganz tief
im Herzen selbst ist er verborgen, stumm, und
ich glaube, der große Stolz, den ich empfinde, ist
sein Kleid.

Haben Sie nur rechte Geduld mit mir, mein
lieber, lieber Herr Diaconus, Sie und Ihre
Frau; Sie sollen sehen, die Lisbeth hilft sich schon
heraus, denn von einem Tage zum anderen kann
man doch nicht verloren seyn, wenn es gleich den
Anschein davon hat. Es ist aber erstaunlich, was
für Schmerzen der Mensch aushalten kann. Wäre
ich nur katholisch, so ginge ich zu den barmherzi-
gen Schwestern; es muß eine recht angenehme
Beschäftigung seyn, Zeitlebens die armen Kranken
zu pflegen. Und nehmen Sie mir das schlechte
Schreiben nicht übel; es wollte aber nicht besser
gehen. Durch den Ueberbringer bitte ich um
Antwort."

Die Entschuldigung wegen der Handschrift
wäre nicht nöthig gewesen; denn die Züge waren
so eben und klar, wie sonst. Keine Thräne war

wird, einem Herzen nicht helfen, welches ſich
weggegeben hatte und ſich nun wieder zurückneh-
men muß. Dem hilft ſicherlich auch ein Gott,
aber er ſteht in keinem Liede, ſondern ganz tief
im Herzen ſelbſt iſt er verborgen, ſtumm, und
ich glaube, der große Stolz, den ich empfinde, iſt
ſein Kleid.

Haben Sie nur rechte Geduld mit mir, mein
lieber, lieber Herr Diaconus, Sie und Ihre
Frau; Sie ſollen ſehen, die Lisbeth hilft ſich ſchon
heraus, denn von einem Tage zum anderen kann
man doch nicht verloren ſeyn, wenn es gleich den
Anſchein davon hat. Es iſt aber erſtaunlich, was
für Schmerzen der Menſch aushalten kann. Wäre
ich nur katholiſch, ſo ginge ich zu den barmherzi-
gen Schweſtern; es muß eine recht angenehme
Beſchäftigung ſeyn, Zeitlebens die armen Kranken
zu pflegen. Und nehmen Sie mir das ſchlechte
Schreiben nicht übel; es wollte aber nicht beſſer
gehen. Durch den Ueberbringer bitte ich um
Antwort.“

Die Entſchuldigung wegen der Handſchrift
wäre nicht nöthig geweſen; denn die Züge waren
ſo eben und klar, wie ſonſt. Keine Thräne war

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[77/0089] wird, einem Herzen nicht helfen, welches ſich weggegeben hatte und ſich nun wieder zurückneh- men muß. Dem hilft ſicherlich auch ein Gott, aber er ſteht in keinem Liede, ſondern ganz tief im Herzen ſelbſt iſt er verborgen, ſtumm, und ich glaube, der große Stolz, den ich empfinde, iſt ſein Kleid. Haben Sie nur rechte Geduld mit mir, mein lieber, lieber Herr Diaconus, Sie und Ihre Frau; Sie ſollen ſehen, die Lisbeth hilft ſich ſchon heraus, denn von einem Tage zum anderen kann man doch nicht verloren ſeyn, wenn es gleich den Anſchein davon hat. Es iſt aber erſtaunlich, was für Schmerzen der Menſch aushalten kann. Wäre ich nur katholiſch, ſo ginge ich zu den barmherzi- gen Schweſtern; es muß eine recht angenehme Beſchäftigung ſeyn, Zeitlebens die armen Kranken zu pflegen. Und nehmen Sie mir das ſchlechte Schreiben nicht übel; es wollte aber nicht beſſer gehen. Durch den Ueberbringer bitte ich um Antwort.“ Die Entſchuldigung wegen der Handſchrift wäre nicht nöthig geweſen; denn die Züge waren ſo eben und klar, wie ſonſt. Keine Thräne war

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/89>, abgerufen am 27.04.2024.