Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

in der Nüchternheit: Hier habe ich des Hofschulzen
seinen Fritze todtgeschlagen. Es ist aber lange her
und Gras ist darüber gewachsen. Indessen will ich
mein Recht über diese That haben, denn nunmehr
ist die Stunde dazu gekommen, nachdem ich mei-
nem Feinde und Ueberwältiger den Tort gethan
habe, den er verdiente, und dazu suche ich Ihren
Rath und Beistand, weil Sie ein Schriftgelehrter
sind und mir mitunter eine Gütigkeit erwiesen haben.

Der klagende und sanfte Ton, womit der Pa-
triotencaspar dieses vorbrachte, flößte dem alten
Schmitz Muth ein. Neugierig, wie er von Natur
war, empfand er ein Verlangen nach den Dingen,
die einen Menschen bewegen konnten, über einen
verschollenen Frevel zum Ankläger wider sich zu
werden. Der Patriotencaspar schwieg aber, senkte
seinen Blick und schien eine Aufmunterung erwar-
ten zu wollen. Endlich sagte der Sammler: Ich
habe wohl vor Jahren davon gehört, daß ein Sohn
des Hofschulzen plötzlich zu Tode gekommen sei;
es hieß aber damals, er sei mit der Stirn auf
einen Stein aufgeschlagen.

Ja, so hieß es damals, versetzte der Patrio-
tencaspar. Mit der Stirn schlug er allerdings

in der Nüchternheit: Hier habe ich des Hofſchulzen
ſeinen Fritze todtgeſchlagen. Es iſt aber lange her
und Gras iſt darüber gewachſen. Indeſſen will ich
mein Recht über dieſe That haben, denn nunmehr
iſt die Stunde dazu gekommen, nachdem ich mei-
nem Feinde und Ueberwältiger den Tort gethan
habe, den er verdiente, und dazu ſuche ich Ihren
Rath und Beiſtand, weil Sie ein Schriftgelehrter
ſind und mir mitunter eine Gütigkeit erwieſen haben.

Der klagende und ſanfte Ton, womit der Pa-
triotencaspar dieſes vorbrachte, flößte dem alten
Schmitz Muth ein. Neugierig, wie er von Natur
war, empfand er ein Verlangen nach den Dingen,
die einen Menſchen bewegen konnten, über einen
verſchollenen Frevel zum Ankläger wider ſich zu
werden. Der Patriotencaspar ſchwieg aber, ſenkte
ſeinen Blick und ſchien eine Aufmunterung erwar-
ten zu wollen. Endlich ſagte der Sammler: Ich
habe wohl vor Jahren davon gehört, daß ein Sohn
des Hofſchulzen plötzlich zu Tode gekommen ſei;
es hieß aber damals, er ſei mit der Stirn auf
einen Stein aufgeſchlagen.

Ja, ſo hieß es damals, verſetzte der Patrio-
tencaspar. Mit der Stirn ſchlug er allerdings

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0058" n="46"/>
in der Nüchternheit: Hier habe ich des Hof&#x017F;chulzen<lb/>
&#x017F;einen Fritze todtge&#x017F;chlagen. Es i&#x017F;t aber lange her<lb/>
und Gras i&#x017F;t darüber gewach&#x017F;en. Inde&#x017F;&#x017F;en will ich<lb/>
mein Recht über die&#x017F;e That haben, denn nunmehr<lb/>
i&#x017F;t die Stunde dazu gekommen, nachdem ich mei-<lb/>
nem Feinde und Ueberwältiger den Tort gethan<lb/>
habe, den er verdiente, und dazu &#x017F;uche ich Ihren<lb/>
Rath und Bei&#x017F;tand, weil Sie ein Schriftgelehrter<lb/>
&#x017F;ind und mir mitunter eine Gütigkeit erwie&#x017F;en haben.</p><lb/>
          <p>Der klagende und &#x017F;anfte Ton, womit der Pa-<lb/>
triotencaspar die&#x017F;es vorbrachte, flößte dem alten<lb/>
Schmitz Muth ein. Neugierig, wie er von Natur<lb/>
war, empfand er ein Verlangen nach den Dingen,<lb/>
die einen Men&#x017F;chen bewegen konnten, über einen<lb/>
ver&#x017F;chollenen Frevel zum Ankläger wider &#x017F;ich zu<lb/>
werden. Der Patriotencaspar &#x017F;chwieg aber, &#x017F;enkte<lb/>
&#x017F;einen Blick und &#x017F;chien eine Aufmunterung erwar-<lb/>
ten zu wollen. Endlich &#x017F;agte der Sammler: Ich<lb/>
habe wohl vor Jahren davon gehört, daß ein Sohn<lb/>
des Hof&#x017F;chulzen plötzlich zu Tode gekommen &#x017F;ei;<lb/>
es hieß aber damals, er &#x017F;ei mit der Stirn auf<lb/>
einen Stein aufge&#x017F;chlagen.</p><lb/>
          <p>Ja, &#x017F;o hieß es damals, ver&#x017F;etzte der Patrio-<lb/>
tencaspar. Mit der Stirn &#x017F;chlug er allerdings<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0058] in der Nüchternheit: Hier habe ich des Hofſchulzen ſeinen Fritze todtgeſchlagen. Es iſt aber lange her und Gras iſt darüber gewachſen. Indeſſen will ich mein Recht über dieſe That haben, denn nunmehr iſt die Stunde dazu gekommen, nachdem ich mei- nem Feinde und Ueberwältiger den Tort gethan habe, den er verdiente, und dazu ſuche ich Ihren Rath und Beiſtand, weil Sie ein Schriftgelehrter ſind und mir mitunter eine Gütigkeit erwieſen haben. Der klagende und ſanfte Ton, womit der Pa- triotencaspar dieſes vorbrachte, flößte dem alten Schmitz Muth ein. Neugierig, wie er von Natur war, empfand er ein Verlangen nach den Dingen, die einen Menſchen bewegen konnten, über einen verſchollenen Frevel zum Ankläger wider ſich zu werden. Der Patriotencaspar ſchwieg aber, ſenkte ſeinen Blick und ſchien eine Aufmunterung erwar- ten zu wollen. Endlich ſagte der Sammler: Ich habe wohl vor Jahren davon gehört, daß ein Sohn des Hofſchulzen plötzlich zu Tode gekommen ſei; es hieß aber damals, er ſei mit der Stirn auf einen Stein aufgeſchlagen. Ja, ſo hieß es damals, verſetzte der Patrio- tencaspar. Mit der Stirn ſchlug er allerdings

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/58
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/58>, abgerufen am 24.11.2024.