die Bitte der Baronesse gesprochen. Diese Stimme redete um so lauter, als er kurz zuvor so tief be- wegt worden war. Das Große, Aechte, Mensch- liche war ihm in der Gerichtshalle so nahe getre- ten; er fühlte, daß es Dinge und Verwickelungen gebe, in denen der Mensch sich vergessen und nur an das Wesen, und an das Loos Anderer denken soll.
Nach einigem Schweigen erwiederte er Clelien: Sie haben mich auf eine Probe gestellt. Selten wird es vorgekommen seyn, daß ein Geistlicher sich scharf tadeln lassen muß vor einer heiligen Hand- lung, die man von ihm begehrt. Folgte ich einer kleinlichen Empfindlichkeit, so würde ich bei meinem Versagen beharren. Ich bin aber nicht empfindlich, sondern erkläre Ihnen ganz einfach: Sie haben Recht. Ich bin bereit, dem Bunde, welcher uns Alle, wie es scheint, durch seine liebliche Kraft über das Gewöhnliche erhebt, Weihe und Unlös- barkeit zu geben.
Fancy hatte sich schon während der letzten Worte mit dem Ornate in der Thüre gezeigt. Der Diaconus ging hinaus und kam nach einigen Augenblicken im priesterlichen Kleide zurück. -- Wollen wir ihn nicht vorbereiten lassen? fragte
die Bitte der Baroneſſe geſprochen. Dieſe Stimme redete um ſo lauter, als er kurz zuvor ſo tief be- wegt worden war. Das Große, Aechte, Menſch- liche war ihm in der Gerichtshalle ſo nahe getre- ten; er fühlte, daß es Dinge und Verwickelungen gebe, in denen der Menſch ſich vergeſſen und nur an das Weſen, und an das Loos Anderer denken ſoll.
Nach einigem Schweigen erwiederte er Clelien: Sie haben mich auf eine Probe geſtellt. Selten wird es vorgekommen ſeyn, daß ein Geiſtlicher ſich ſcharf tadeln laſſen muß vor einer heiligen Hand- lung, die man von ihm begehrt. Folgte ich einer kleinlichen Empfindlichkeit, ſo würde ich bei meinem Verſagen beharren. Ich bin aber nicht empfindlich, ſondern erkläre Ihnen ganz einfach: Sie haben Recht. Ich bin bereit, dem Bunde, welcher uns Alle, wie es ſcheint, durch ſeine liebliche Kraft über das Gewöhnliche erhebt, Weihe und Unlös- barkeit zu geben.
Fancy hatte ſich ſchon während der letzten Worte mit dem Ornate in der Thüre gezeigt. Der Diaconus ging hinaus und kam nach einigen Augenblicken im prieſterlichen Kleide zurück. — Wollen wir ihn nicht vorbereiten laſſen? fragte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0306"n="294"/>
die Bitte der Baroneſſe geſprochen. Dieſe Stimme<lb/>
redete um ſo lauter, als er kurz zuvor ſo tief be-<lb/>
wegt worden war. Das Große, Aechte, Menſch-<lb/>
liche war ihm in der Gerichtshalle ſo nahe getre-<lb/>
ten; er fühlte, daß es Dinge und Verwickelungen<lb/>
gebe, in denen der Menſch ſich vergeſſen und nur an<lb/>
das Weſen, und an das Loos Anderer denken ſoll.</p><lb/><p>Nach einigem Schweigen erwiederte er Clelien:<lb/>
Sie haben mich auf eine Probe geſtellt. Selten<lb/>
wird es vorgekommen ſeyn, daß ein Geiſtlicher ſich<lb/>ſcharf tadeln laſſen muß vor einer heiligen Hand-<lb/>
lung, die man von ihm begehrt. Folgte ich einer<lb/>
kleinlichen Empfindlichkeit, ſo würde ich bei meinem<lb/>
Verſagen beharren. Ich bin aber nicht empfindlich,<lb/>ſondern erkläre Ihnen ganz einfach: Sie haben<lb/>
Recht. Ich bin bereit, dem Bunde, welcher uns<lb/>
Alle, wie es ſcheint, durch ſeine liebliche Kraft<lb/>
über das Gewöhnliche erhebt, Weihe und Unlös-<lb/>
barkeit zu geben.</p><lb/><p>Fancy hatte ſich ſchon während der letzten<lb/>
Worte mit dem Ornate in der Thüre gezeigt.<lb/>
Der Diaconus ging hinaus und kam nach einigen<lb/>
Augenblicken im prieſterlichen Kleide zurück. —<lb/>
Wollen wir ihn nicht vorbereiten laſſen? fragte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[294/0306]
die Bitte der Baroneſſe geſprochen. Dieſe Stimme
redete um ſo lauter, als er kurz zuvor ſo tief be-
wegt worden war. Das Große, Aechte, Menſch-
liche war ihm in der Gerichtshalle ſo nahe getre-
ten; er fühlte, daß es Dinge und Verwickelungen
gebe, in denen der Menſch ſich vergeſſen und nur an
das Weſen, und an das Loos Anderer denken ſoll.
Nach einigem Schweigen erwiederte er Clelien:
Sie haben mich auf eine Probe geſtellt. Selten
wird es vorgekommen ſeyn, daß ein Geiſtlicher ſich
ſcharf tadeln laſſen muß vor einer heiligen Hand-
lung, die man von ihm begehrt. Folgte ich einer
kleinlichen Empfindlichkeit, ſo würde ich bei meinem
Verſagen beharren. Ich bin aber nicht empfindlich,
ſondern erkläre Ihnen ganz einfach: Sie haben
Recht. Ich bin bereit, dem Bunde, welcher uns
Alle, wie es ſcheint, durch ſeine liebliche Kraft
über das Gewöhnliche erhebt, Weihe und Unlös-
barkeit zu geben.
Fancy hatte ſich ſchon während der letzten
Worte mit dem Ornate in der Thüre gezeigt.
Der Diaconus ging hinaus und kam nach einigen
Augenblicken im prieſterlichen Kleide zurück. —
Wollen wir ihn nicht vorbereiten laſſen? fragte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/306>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.