Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

seiner Beute wohl noch gar erfreut, die der Be-
stohlene nicht wiederkriegt. Handhabten also selber
Recht und Gerechtigkeit in allem Frieden und konnte
uns Niemand darum anfassen, denn wir thaten Kei-
nem was zu Leide, sondern gingen nur nicht mit
dem Ungerechten und Frevelhaften um, wenn wir
ihn in die Feime gesetzt hatten; es entstand aber
weit größere Furcht dieserhalb unter den Leuten
als vor Urtel und Gefängniß.

Die Rede des alten Bauern rauschte in ihren
rohen und strudelnden Ausdrücken wie ein Wald-
bach daher, der über Wurzeln, Knoten und Kiesel
strömt. Er sprach ohne zu stocken. Der Richter
wollte ihn unterbrechen, der Hofschulze aber sagte:
Ich bitte und ersuche Euch, Herr Richter, mich
gänzlich aussprechen zu lassen, denn noch Manches
habe ich zu veroffenbaren. -- Herr Richter und
Herr Diaconus, wenn wir so unser Wesen für uns
allein in Geschick brachten, so waren wir darum
keine Unruhestifter und Tumultuanten. Denn hat-
ten wir auch die Herren von der Schreiberei nicht
ganz sonderlich in der Aestimation, so schlug uns
doch jederzeit das Herz, wenn wir an den König
dachten. Ja, ja, gegenwärtig schlägt mir mein

ſeiner Beute wohl noch gar erfreut, die der Be-
ſtohlene nicht wiederkriegt. Handhabten alſo ſelber
Recht und Gerechtigkeit in allem Frieden und konnte
uns Niemand darum anfaſſen, denn wir thaten Kei-
nem was zu Leide, ſondern gingen nur nicht mit
dem Ungerechten und Frevelhaften um, wenn wir
ihn in die Feime geſetzt hatten; es entſtand aber
weit größere Furcht dieſerhalb unter den Leuten
als vor Urtel und Gefängniß.

Die Rede des alten Bauern rauſchte in ihren
rohen und ſtrudelnden Ausdrücken wie ein Wald-
bach daher, der über Wurzeln, Knoten und Kieſel
ſtrömt. Er ſprach ohne zu ſtocken. Der Richter
wollte ihn unterbrechen, der Hofſchulze aber ſagte:
Ich bitte und erſuche Euch, Herr Richter, mich
gänzlich ausſprechen zu laſſen, denn noch Manches
habe ich zu veroffenbaren. — Herr Richter und
Herr Diaconus, wenn wir ſo unſer Weſen für uns
allein in Geſchick brachten, ſo waren wir darum
keine Unruheſtifter und Tumultuanten. Denn hat-
ten wir auch die Herren von der Schreiberei nicht
ganz ſonderlich in der Aeſtimation, ſo ſchlug uns
doch jederzeit das Herz, wenn wir an den König
dachten. Ja, ja, gegenwärtig ſchlägt mir mein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0252" n="240"/>
&#x017F;einer Beute wohl noch gar erfreut, die der Be-<lb/>
&#x017F;tohlene nicht wiederkriegt. Handhabten al&#x017F;o &#x017F;elber<lb/>
Recht und Gerechtigkeit in allem Frieden und konnte<lb/>
uns Niemand darum anfa&#x017F;&#x017F;en, denn wir thaten Kei-<lb/>
nem was zu Leide, &#x017F;ondern gingen nur nicht mit<lb/>
dem Ungerechten und Frevelhaften um, wenn wir<lb/>
ihn in die Feime ge&#x017F;etzt hatten; es ent&#x017F;tand aber<lb/>
weit größere Furcht die&#x017F;erhalb unter den Leuten<lb/>
als vor Urtel und Gefängniß.</p><lb/>
          <p>Die Rede des alten Bauern rau&#x017F;chte in ihren<lb/>
rohen und &#x017F;trudelnden Ausdrücken wie ein Wald-<lb/>
bach daher, der über Wurzeln, Knoten und Kie&#x017F;el<lb/>
&#x017F;trömt. Er &#x017F;prach ohne zu &#x017F;tocken. Der Richter<lb/>
wollte ihn unterbrechen, der Hof&#x017F;chulze aber &#x017F;agte:<lb/>
Ich bitte und er&#x017F;uche Euch, Herr Richter, mich<lb/>
gänzlich aus&#x017F;prechen zu la&#x017F;&#x017F;en, denn noch Manches<lb/>
habe ich zu veroffenbaren. &#x2014; Herr Richter und<lb/>
Herr Diaconus, wenn wir &#x017F;o un&#x017F;er We&#x017F;en für uns<lb/>
allein in Ge&#x017F;chick brachten, &#x017F;o waren wir darum<lb/>
keine Unruhe&#x017F;tifter und Tumultuanten. Denn hat-<lb/>
ten wir auch die Herren von der Schreiberei nicht<lb/>
ganz &#x017F;onderlich in der Ae&#x017F;timation, &#x017F;o &#x017F;chlug uns<lb/>
doch jederzeit das Herz, wenn wir an den König<lb/>
dachten. Ja, ja, gegenwärtig &#x017F;chlägt mir mein<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[240/0252] ſeiner Beute wohl noch gar erfreut, die der Be- ſtohlene nicht wiederkriegt. Handhabten alſo ſelber Recht und Gerechtigkeit in allem Frieden und konnte uns Niemand darum anfaſſen, denn wir thaten Kei- nem was zu Leide, ſondern gingen nur nicht mit dem Ungerechten und Frevelhaften um, wenn wir ihn in die Feime geſetzt hatten; es entſtand aber weit größere Furcht dieſerhalb unter den Leuten als vor Urtel und Gefängniß. Die Rede des alten Bauern rauſchte in ihren rohen und ſtrudelnden Ausdrücken wie ein Wald- bach daher, der über Wurzeln, Knoten und Kieſel ſtrömt. Er ſprach ohne zu ſtocken. Der Richter wollte ihn unterbrechen, der Hofſchulze aber ſagte: Ich bitte und erſuche Euch, Herr Richter, mich gänzlich ausſprechen zu laſſen, denn noch Manches habe ich zu veroffenbaren. — Herr Richter und Herr Diaconus, wenn wir ſo unſer Weſen für uns allein in Geſchick brachten, ſo waren wir darum keine Unruheſtifter und Tumultuanten. Denn hat- ten wir auch die Herren von der Schreiberei nicht ganz ſonderlich in der Aeſtimation, ſo ſchlug uns doch jederzeit das Herz, wenn wir an den König dachten. Ja, ja, gegenwärtig ſchlägt mir mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/252
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/252>, abgerufen am 08.05.2024.