Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

den eines Richters, der sich viel mit historischen
Studien beschäftigte, und diese fanden hier reich-
liche Nahrung. Er machte daher die Sache wohl
weitläuftiger, als sie streng genommen zu werden
brauchte, und hörte Jeden ab, der einigen Auf-
schluß über das Wesen des Oberhofes und das
Treiben seines Besitzers zu geben vermochte. Deß-
halb hatte er denn den Diaconus gleichfalls vor-
laden lassen, weil dieser, wie bekannt war, viel
mit dem Hofschulzen verkehrte, obgleich er von
dem eigentlichen Gegenstande der Nachforschungen
nicht das Mindeste wußte.

Man ließ den Diaconus seines Standes wegen
nicht im Zeugenzimmer warten, sondern berief ihn
sofort in die Verhörstube. Dort wohnte er einem
sonderbaren Auftritte bei. An den Schranken
stand der einäugige Mörder und in einer Ecke saß
der Hofschulze, über dessen verfallenes Aussehen
der Diaconus erschrak. Der Mörder stand ganz
strack da und sein reicher Feind saß in zusammen-
gekrümmter Haltung. -- Noch einmal fordere ich
Euch auf, sagte der Richter zum Patriotencaspar,
mir zu entdecken, wohin Ihr das Schwert gethan
habt; bedenkt, daß Ihr durch hartnäckiges Ver-

den eines Richters, der ſich viel mit hiſtoriſchen
Studien beſchäftigte, und dieſe fanden hier reich-
liche Nahrung. Er machte daher die Sache wohl
weitläuftiger, als ſie ſtreng genommen zu werden
brauchte, und hörte Jeden ab, der einigen Auf-
ſchluß über das Weſen des Oberhofes und das
Treiben ſeines Beſitzers zu geben vermochte. Deß-
halb hatte er denn den Diaconus gleichfalls vor-
laden laſſen, weil dieſer, wie bekannt war, viel
mit dem Hofſchulzen verkehrte, obgleich er von
dem eigentlichen Gegenſtande der Nachforſchungen
nicht das Mindeſte wußte.

Man ließ den Diaconus ſeines Standes wegen
nicht im Zeugenzimmer warten, ſondern berief ihn
ſofort in die Verhörſtube. Dort wohnte er einem
ſonderbaren Auftritte bei. An den Schranken
ſtand der einäugige Mörder und in einer Ecke ſaß
der Hofſchulze, über deſſen verfallenes Ausſehen
der Diaconus erſchrak. Der Mörder ſtand ganz
ſtrack da und ſein reicher Feind ſaß in zuſammen-
gekrümmter Haltung. — Noch einmal fordere ich
Euch auf, ſagte der Richter zum Patriotencaspar,
mir zu entdecken, wohin Ihr das Schwert gethan
habt; bedenkt, daß Ihr durch hartnäckiges Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0244" n="232"/>
den eines Richters, der &#x017F;ich viel mit hi&#x017F;tori&#x017F;chen<lb/>
Studien be&#x017F;chäftigte, und die&#x017F;e fanden hier reich-<lb/>
liche Nahrung. Er machte daher die Sache wohl<lb/>
weitläuftiger, als &#x017F;ie &#x017F;treng genommen zu werden<lb/>
brauchte, und hörte Jeden ab, der einigen Auf-<lb/>
&#x017F;chluß über das We&#x017F;en des Oberhofes und das<lb/>
Treiben &#x017F;eines Be&#x017F;itzers zu geben vermochte. Deß-<lb/>
halb hatte er denn den Diaconus gleichfalls vor-<lb/>
laden la&#x017F;&#x017F;en, weil die&#x017F;er, wie bekannt war, viel<lb/>
mit dem Hof&#x017F;chulzen verkehrte, obgleich er von<lb/>
dem eigentlichen Gegen&#x017F;tande der Nachfor&#x017F;chungen<lb/>
nicht das Minde&#x017F;te wußte.</p><lb/>
          <p>Man ließ den Diaconus &#x017F;eines Standes wegen<lb/>
nicht im Zeugenzimmer warten, &#x017F;ondern berief ihn<lb/>
&#x017F;ofort in die Verhör&#x017F;tube. Dort wohnte er einem<lb/>
&#x017F;onderbaren Auftritte bei. An den Schranken<lb/>
&#x017F;tand der einäugige Mörder und in einer Ecke &#x017F;aß<lb/>
der Hof&#x017F;chulze, über de&#x017F;&#x017F;en verfallenes Aus&#x017F;ehen<lb/>
der Diaconus er&#x017F;chrak. Der Mörder &#x017F;tand ganz<lb/>
&#x017F;track da und &#x017F;ein reicher Feind &#x017F;aß in zu&#x017F;ammen-<lb/>
gekrümmter Haltung. &#x2014; Noch einmal fordere ich<lb/>
Euch auf, &#x017F;agte der Richter zum Patriotencaspar,<lb/>
mir zu entdecken, wohin Ihr das Schwert gethan<lb/>
habt; bedenkt, daß Ihr durch hartnäckiges Ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0244] den eines Richters, der ſich viel mit hiſtoriſchen Studien beſchäftigte, und dieſe fanden hier reich- liche Nahrung. Er machte daher die Sache wohl weitläuftiger, als ſie ſtreng genommen zu werden brauchte, und hörte Jeden ab, der einigen Auf- ſchluß über das Weſen des Oberhofes und das Treiben ſeines Beſitzers zu geben vermochte. Deß- halb hatte er denn den Diaconus gleichfalls vor- laden laſſen, weil dieſer, wie bekannt war, viel mit dem Hofſchulzen verkehrte, obgleich er von dem eigentlichen Gegenſtande der Nachforſchungen nicht das Mindeſte wußte. Man ließ den Diaconus ſeines Standes wegen nicht im Zeugenzimmer warten, ſondern berief ihn ſofort in die Verhörſtube. Dort wohnte er einem ſonderbaren Auftritte bei. An den Schranken ſtand der einäugige Mörder und in einer Ecke ſaß der Hofſchulze, über deſſen verfallenes Ausſehen der Diaconus erſchrak. Der Mörder ſtand ganz ſtrack da und ſein reicher Feind ſaß in zuſammen- gekrümmter Haltung. — Noch einmal fordere ich Euch auf, ſagte der Richter zum Patriotencaspar, mir zu entdecken, wohin Ihr das Schwert gethan habt; bedenkt, daß Ihr durch hartnäckiges Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/244
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/244>, abgerufen am 02.05.2024.