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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Zwar hätte sie auf Lisbeth neidisch seyn dürfen,
dagegen aber stritt ihr Gemüth. Bei aller Schlau-
heit hatte das Mädchen ein dankbares Herz. Der
junge Graf Oswald hatte einst ihrem alten inva-
liden Vater eine Versorgung als Castellan ausge-
macht, ihn dadurch vom Hungertode gerettet. --
Man muß hübsch erkenntlich seyn, dachte Fancy
und entwarf ihren Soubrettenplan.

Sie legte etwas boshaft das schöne, noch nie
getragene blaue Mousseline de Laine Kleid heraus
und kleidete überhaupt ihre Herrin heute mit be-
sonderer Sorgfalt. Als Clelia sich im Spiegel so
schön geschmückt sah, seufzte sie und sagte: Schade,
daß man das für die Tauben und Sperlinge im
Hofe angezogen hat.

Recht Schade! versetzte Fancy. Der Herr
hatten sich so sehr darauf gefreut die gnädige Frau
in dem neuen Kleide zu sehen.

Nun, es wird ja hier keine Ewigkeit währen,
warf die schöne Frau leicht hin.

Die Ewigkeit ist lang, versetzte die gefällige
und nachgiebige Fancy. Nein, eine Ewigkeit wird
es wohl nicht währen.


Zwar hätte ſie auf Lisbeth neidiſch ſeyn dürfen,
dagegen aber ſtritt ihr Gemüth. Bei aller Schlau-
heit hatte das Mädchen ein dankbares Herz. Der
junge Graf Oswald hatte einſt ihrem alten inva-
liden Vater eine Verſorgung als Caſtellan ausge-
macht, ihn dadurch vom Hungertode gerettet. —
Man muß hübſch erkenntlich ſeyn, dachte Fancy
und entwarf ihren Soubrettenplan.

Sie legte etwas boshaft das ſchöne, noch nie
getragene blaue Mouſſeline de Laine Kleid heraus
und kleidete überhaupt ihre Herrin heute mit be-
ſonderer Sorgfalt. Als Clelia ſich im Spiegel ſo
ſchön geſchmückt ſah, ſeufzte ſie und ſagte: Schade,
daß man das für die Tauben und Sperlinge im
Hofe angezogen hat.

Recht Schade! verſetzte Fancy. Der Herr
hatten ſich ſo ſehr darauf gefreut die gnädige Frau
in dem neuen Kleide zu ſehen.

Nun, es wird ja hier keine Ewigkeit währen,
warf die ſchöne Frau leicht hin.

Die Ewigkeit iſt lang, verſetzte die gefällige
und nachgiebige Fancy. Nein, eine Ewigkeit wird
es wohl nicht währen.


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[219/0231] Zwar hätte ſie auf Lisbeth neidiſch ſeyn dürfen, dagegen aber ſtritt ihr Gemüth. Bei aller Schlau- heit hatte das Mädchen ein dankbares Herz. Der junge Graf Oswald hatte einſt ihrem alten inva- liden Vater eine Verſorgung als Caſtellan ausge- macht, ihn dadurch vom Hungertode gerettet. — Man muß hübſch erkenntlich ſeyn, dachte Fancy und entwarf ihren Soubrettenplan. Sie legte etwas boshaft das ſchöne, noch nie getragene blaue Mouſſeline de Laine Kleid heraus und kleidete überhaupt ihre Herrin heute mit be- ſonderer Sorgfalt. Als Clelia ſich im Spiegel ſo ſchön geſchmückt ſah, ſeufzte ſie und ſagte: Schade, daß man das für die Tauben und Sperlinge im Hofe angezogen hat. Recht Schade! verſetzte Fancy. Der Herr hatten ſich ſo ſehr darauf gefreut die gnädige Frau in dem neuen Kleide zu ſehen. Nun, es wird ja hier keine Ewigkeit währen, warf die ſchöne Frau leicht hin. Die Ewigkeit iſt lang, verſetzte die gefällige und nachgiebige Fancy. Nein, eine Ewigkeit wird es wohl nicht währen.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/231>, abgerufen am 02.05.2024.