Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

sich zu einem ganz herrlichen und prächtigen Cha-
rakter herauszuarbeiten, zu einer Freude und Zier
des Landes, deßhalb Herr Diaconus, und deßhalb,
weil ich seiner sterbenden Mutter mein Wort auf
ihn gegeben habe, ist es meine Pflicht, dieses Ver-
hältniß, welches für mich eine Liebschaft bleibt, zu
zerstören.

Die Streitenden gingen mit großen Schritten
auf und nieder.

Der Diaconus pries die Unschuld und den
Schwung der Neigung, welche so entgegengesetzte
Gefühle aufregte. Allein der hartnäckige Geschäfts-
mann ließ sich dadurch nicht rühren, sondern sagte:
Ich will ihn auch gar nicht daran hindern, das
Mädchen geliebt zu haben. Er feire sie in seiner
Erinnerung, er mache Gedichte der Wehmuth an
sie, Sonette und Terzinen so viel er will, er
trage ihre Locke oder ihren Schattenriß, was er
nun von ihr besitzt, auf dem Herzen, immerhin!
Liebe ist Liebe, aber Ehe ist Ehe. Die Ehe ist
ein Geschäft, ein höchst wichtiges Geschäft. Nicht
umsonst handelt ein Abschnitt in allen Landrechten
von der Ehe und vom Eingebrachten und von der
Gütergemeinschaft. Die Ehe soll dem Menschen

ſich zu einem ganz herrlichen und prächtigen Cha-
rakter herauszuarbeiten, zu einer Freude und Zier
des Landes, deßhalb Herr Diaconus, und deßhalb,
weil ich ſeiner ſterbenden Mutter mein Wort auf
ihn gegeben habe, iſt es meine Pflicht, dieſes Ver-
hältniß, welches für mich eine Liebſchaft bleibt, zu
zerſtören.

Die Streitenden gingen mit großen Schritten
auf und nieder.

Der Diaconus pries die Unſchuld und den
Schwung der Neigung, welche ſo entgegengeſetzte
Gefühle aufregte. Allein der hartnäckige Geſchäfts-
mann ließ ſich dadurch nicht rühren, ſondern ſagte:
Ich will ihn auch gar nicht daran hindern, das
Mädchen geliebt zu haben. Er feire ſie in ſeiner
Erinnerung, er mache Gedichte der Wehmuth an
ſie, Sonette und Terzinen ſo viel er will, er
trage ihre Locke oder ihren Schattenriß, was er
nun von ihr beſitzt, auf dem Herzen, immerhin!
Liebe iſt Liebe, aber Ehe iſt Ehe. Die Ehe iſt
ein Geſchäft, ein höchſt wichtiges Geſchäft. Nicht
umſonſt handelt ein Abſchnitt in allen Landrechten
von der Ehe und vom Eingebrachten und von der
Gütergemeinſchaft. Die Ehe ſoll dem Menſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0210" n="198"/>
&#x017F;ich zu einem ganz herrlichen und prächtigen Cha-<lb/>
rakter herauszuarbeiten, zu einer Freude und Zier<lb/>
des Landes, deßhalb Herr Diaconus, und deßhalb,<lb/>
weil ich &#x017F;einer &#x017F;terbenden Mutter mein Wort auf<lb/>
ihn gegeben habe, i&#x017F;t es meine Pflicht, die&#x017F;es Ver-<lb/>
hältniß, welches für mich eine Lieb&#x017F;chaft bleibt, zu<lb/>
zer&#x017F;tören.</p><lb/>
          <p>Die Streitenden gingen mit großen Schritten<lb/>
auf und nieder.</p><lb/>
          <p>Der Diaconus pries die Un&#x017F;chuld und den<lb/>
Schwung der Neigung, welche &#x017F;o entgegenge&#x017F;etzte<lb/>
Gefühle aufregte. Allein der hartnäckige Ge&#x017F;chäfts-<lb/>
mann ließ &#x017F;ich dadurch nicht rühren, &#x017F;ondern &#x017F;agte:<lb/>
Ich will ihn auch gar nicht daran hindern, das<lb/>
Mädchen geliebt zu haben. Er feire &#x017F;ie in &#x017F;einer<lb/>
Erinnerung, er mache Gedichte der Wehmuth an<lb/>
&#x017F;ie, Sonette und Terzinen &#x017F;o viel er will, er<lb/>
trage ihre Locke oder ihren Schattenriß, was er<lb/>
nun von ihr be&#x017F;itzt, auf dem Herzen, immerhin!<lb/>
Liebe i&#x017F;t Liebe, aber Ehe i&#x017F;t Ehe. Die Ehe i&#x017F;t<lb/>
ein Ge&#x017F;chäft, ein höch&#x017F;t wichtiges Ge&#x017F;chäft. Nicht<lb/>
um&#x017F;on&#x017F;t handelt ein Ab&#x017F;chnitt in allen Landrechten<lb/>
von der Ehe und vom Eingebrachten und von der<lb/>
Gütergemein&#x017F;chaft. Die Ehe &#x017F;oll dem Men&#x017F;chen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0210] ſich zu einem ganz herrlichen und prächtigen Cha- rakter herauszuarbeiten, zu einer Freude und Zier des Landes, deßhalb Herr Diaconus, und deßhalb, weil ich ſeiner ſterbenden Mutter mein Wort auf ihn gegeben habe, iſt es meine Pflicht, dieſes Ver- hältniß, welches für mich eine Liebſchaft bleibt, zu zerſtören. Die Streitenden gingen mit großen Schritten auf und nieder. Der Diaconus pries die Unſchuld und den Schwung der Neigung, welche ſo entgegengeſetzte Gefühle aufregte. Allein der hartnäckige Geſchäfts- mann ließ ſich dadurch nicht rühren, ſondern ſagte: Ich will ihn auch gar nicht daran hindern, das Mädchen geliebt zu haben. Er feire ſie in ſeiner Erinnerung, er mache Gedichte der Wehmuth an ſie, Sonette und Terzinen ſo viel er will, er trage ihre Locke oder ihren Schattenriß, was er nun von ihr beſitzt, auf dem Herzen, immerhin! Liebe iſt Liebe, aber Ehe iſt Ehe. Die Ehe iſt ein Geſchäft, ein höchſt wichtiges Geſchäft. Nicht umſonſt handelt ein Abſchnitt in allen Landrechten von der Ehe und vom Eingebrachten und von der Gütergemeinſchaft. Die Ehe ſoll dem Menſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/210
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/210>, abgerufen am 03.05.2024.