Vor Mann, vor Weib, Vor Dorf, vor Traid, Vor Stock, vor Stein, Vor Groß, vor Klein, Auch vor Quick Und vor allerhand Gottesgeschick, Ohne vor dem Mann, Der die heilige Vehme hegen und hüten kann, Und nicht zu lassen davon Um Lieb noch um Leid, Um Pfand oder Kleid, Noch um Silber, noch um Gold, Noch um keinerlei Schuld.
Als der Eidam den Eid geleistet hatte, wollte er aufstehen, der Frohnbote hielt ihn aber in seiner knieenden Stellung fest und sagte, sich vergessend, und aus der feierlichen Redeweise in seine Bauer- sprache fallend: Wollt Ihr denn wie das liebe Vieh Schöffe seyn? Ihr kriegt ja erst die Loosung.
Auch gut! rief der junge Bauer, dem die fürchterliche Verwarnung und der Eid ein Behagen erregt zu haben schien. Her mit der Loosung!
Der Hofschulze setzte den Hut auf, der Eidam mußte ihn abnehmen und nun sagte Jener: Die Loosung und das Nothzeichen, das ich dich lehre, lautet: Stock, Stein, Gras, Grain.
Vor Mann, vor Weib, Vor Dorf, vor Traid, Vor Stock, vor Stein, Vor Groß, vor Klein, Auch vor Quick Und vor allerhand Gottesgeſchick, Ohne vor dem Mann, Der die heilige Vehme hegen und hüten kann, Und nicht zu laſſen davon Um Lieb noch um Leid, Um Pfand oder Kleid, Noch um Silber, noch um Gold, Noch um keinerlei Schuld.
Als der Eidam den Eid geleiſtet hatte, wollte er aufſtehen, der Frohnbote hielt ihn aber in ſeiner knieenden Stellung feſt und ſagte, ſich vergeſſend, und aus der feierlichen Redeweiſe in ſeine Bauer- ſprache fallend: Wollt Ihr denn wie das liebe Vieh Schöffe ſeyn? Ihr kriegt ja erſt die Looſung.
Auch gut! rief der junge Bauer, dem die fürchterliche Verwarnung und der Eid ein Behagen erregt zu haben ſchien. Her mit der Looſung!
Der Hofſchulze ſetzte den Hut auf, der Eidam mußte ihn abnehmen und nun ſagte Jener: Die Looſung und das Nothzeichen, das ich dich lehre, lautet: Stock, Stein, Gras, Grain.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0133"n="121"/><lgtype="poem"><l>Vor Mann, vor Weib,</l><lb/><l>Vor Dorf, vor Traid,</l><lb/><l>Vor Stock, vor Stein,</l><lb/><l>Vor Groß, vor Klein,</l><lb/><l>Auch vor Quick</l><lb/><l>Und vor allerhand Gottesgeſchick,</l><lb/><l>Ohne vor dem Mann,</l><lb/><l>Der die heilige Vehme hegen und hüten kann,</l><lb/><l>Und nicht zu laſſen davon</l><lb/><l>Um Lieb noch um Leid,</l><lb/><l>Um Pfand oder Kleid,</l><lb/><l>Noch um Silber, noch um Gold,</l><lb/><l>Noch um keinerlei Schuld.</l></lg><lb/><p>Als der Eidam den Eid geleiſtet hatte, wollte<lb/>
er aufſtehen, der Frohnbote hielt ihn aber in ſeiner<lb/>
knieenden Stellung feſt und ſagte, ſich vergeſſend,<lb/>
und aus der feierlichen Redeweiſe in ſeine Bauer-<lb/>ſprache fallend: Wollt Ihr denn wie das liebe<lb/>
Vieh Schöffe ſeyn? Ihr kriegt ja erſt die Looſung.</p><lb/><p>Auch gut! rief der junge Bauer, dem die<lb/>
fürchterliche Verwarnung und der Eid ein Behagen<lb/>
erregt zu haben ſchien. Her mit der Looſung!</p><lb/><p>Der Hofſchulze ſetzte den Hut auf, der Eidam<lb/>
mußte ihn abnehmen und nun ſagte Jener: Die<lb/>
Looſung und das Nothzeichen, das ich dich lehre,<lb/>
lautet: Stock, Stein, Gras, Grain.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[121/0133]
Vor Mann, vor Weib,
Vor Dorf, vor Traid,
Vor Stock, vor Stein,
Vor Groß, vor Klein,
Auch vor Quick
Und vor allerhand Gottesgeſchick,
Ohne vor dem Mann,
Der die heilige Vehme hegen und hüten kann,
Und nicht zu laſſen davon
Um Lieb noch um Leid,
Um Pfand oder Kleid,
Noch um Silber, noch um Gold,
Noch um keinerlei Schuld.
Als der Eidam den Eid geleiſtet hatte, wollte
er aufſtehen, der Frohnbote hielt ihn aber in ſeiner
knieenden Stellung feſt und ſagte, ſich vergeſſend,
und aus der feierlichen Redeweiſe in ſeine Bauer-
ſprache fallend: Wollt Ihr denn wie das liebe
Vieh Schöffe ſeyn? Ihr kriegt ja erſt die Looſung.
Auch gut! rief der junge Bauer, dem die
fürchterliche Verwarnung und der Eid ein Behagen
erregt zu haben ſchien. Her mit der Looſung!
Der Hofſchulze ſetzte den Hut auf, der Eidam
mußte ihn abnehmen und nun ſagte Jener: Die
Looſung und das Nothzeichen, das ich dich lehre,
lautet: Stock, Stein, Gras, Grain.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/133>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.