undurchforschten Raume des Hauses. Als er in die Nähe der Söllertreppe kam, stand er jedoch plötzlich still und ein Schauder schüttelte seine Glie- der. Nachdem dieser Schauder vorüber war, hatten seine Züge ein verändertes Ansehen gewonnen. Die Muskeln des Antlitzes spannten sich straff an, die Augenhöhlen wurden weiter, in seine Augen trat ein seherischer Glanz, sie blickten unbeweglich mit geisterhaftem Blicke vor sich hin, als schaue er etwas, ein Ding oder einen Ort, und plötzlich griff er mit der Hand nach der Luftgestalt, die ihm der auf der Höhe seiner Anstrengungen gewor- dene ekstatische Zustand vorspiegelte. Jene Hand- bewegung brachte ihn zu sich selbst zurück. Er blickte nun mit seiner gewöhnlichen Art um sich her, strich sich über die Stirne, die Anspannung der Muskeln ließ nach, die Brauen sanken herunter, die Augenhöhlen nahmen ihre gewöhnliche Größe an, er sah aus, wie zuvor. Der ganze Paroxys- mus hatte nur wenige Secunden gedauert. Aber ohne Zweifel war während desselben etwas Außer- ordentliches in ihm vorgegangen. -- Also da liegt es! murmelte er froh und beruhigt, und stieg raschen Schrittes die Söllertreppe hinauf.
undurchforſchten Raume des Hauſes. Als er in die Nähe der Söllertreppe kam, ſtand er jedoch plötzlich ſtill und ein Schauder ſchüttelte ſeine Glie- der. Nachdem dieſer Schauder vorüber war, hatten ſeine Züge ein verändertes Anſehen gewonnen. Die Muskeln des Antlitzes ſpannten ſich ſtraff an, die Augenhöhlen wurden weiter, in ſeine Augen trat ein ſeheriſcher Glanz, ſie blickten unbeweglich mit geiſterhaftem Blicke vor ſich hin, als ſchaue er etwas, ein Ding oder einen Ort, und plötzlich griff er mit der Hand nach der Luftgeſtalt, die ihm der auf der Höhe ſeiner Anſtrengungen gewor- dene ekſtatiſche Zuſtand vorſpiegelte. Jene Hand- bewegung brachte ihn zu ſich ſelbſt zurück. Er blickte nun mit ſeiner gewöhnlichen Art um ſich her, ſtrich ſich über die Stirne, die Anſpannung der Muskeln ließ nach, die Brauen ſanken herunter, die Augenhöhlen nahmen ihre gewöhnliche Größe an, er ſah aus, wie zuvor. Der ganze Paroxys- mus hatte nur wenige Secunden gedauert. Aber ohne Zweifel war während deſſelben etwas Außer- ordentliches in ihm vorgegangen. — Alſo da liegt es! murmelte er froh und beruhigt, und ſtieg raſchen Schrittes die Söllertreppe hinauf.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0110"n="98"/>
undurchforſchten Raume des Hauſes. Als er in<lb/>
die Nähe der Söllertreppe kam, ſtand er jedoch<lb/>
plötzlich ſtill und ein Schauder ſchüttelte ſeine Glie-<lb/>
der. Nachdem dieſer Schauder vorüber war, hatten<lb/>ſeine Züge ein verändertes Anſehen gewonnen.<lb/>
Die Muskeln des Antlitzes ſpannten ſich ſtraff an,<lb/>
die Augenhöhlen wurden weiter, in ſeine Augen<lb/>
trat ein ſeheriſcher Glanz, ſie blickten unbeweglich<lb/>
mit geiſterhaftem Blicke vor ſich hin, als ſchaue er<lb/>
etwas, ein Ding oder einen Ort, und plötzlich<lb/>
griff er mit der Hand nach der Luftgeſtalt, die<lb/>
ihm der auf der Höhe ſeiner Anſtrengungen gewor-<lb/>
dene ekſtatiſche Zuſtand vorſpiegelte. Jene Hand-<lb/>
bewegung brachte ihn zu ſich ſelbſt zurück. Er<lb/>
blickte nun mit ſeiner gewöhnlichen Art um ſich<lb/>
her, ſtrich ſich über die Stirne, die Anſpannung<lb/>
der Muskeln ließ nach, die Brauen ſanken herunter,<lb/>
die Augenhöhlen nahmen ihre gewöhnliche Größe<lb/>
an, er ſah aus, wie zuvor. Der ganze Paroxys-<lb/>
mus hatte nur wenige Secunden gedauert. Aber<lb/>
ohne Zweifel war während deſſelben etwas Außer-<lb/>
ordentliches in ihm vorgegangen. — Alſo da liegt<lb/>
es! murmelte er froh und beruhigt, und ſtieg<lb/>
raſchen Schrittes die Söllertreppe hinauf.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[98/0110]
undurchforſchten Raume des Hauſes. Als er in
die Nähe der Söllertreppe kam, ſtand er jedoch
plötzlich ſtill und ein Schauder ſchüttelte ſeine Glie-
der. Nachdem dieſer Schauder vorüber war, hatten
ſeine Züge ein verändertes Anſehen gewonnen.
Die Muskeln des Antlitzes ſpannten ſich ſtraff an,
die Augenhöhlen wurden weiter, in ſeine Augen
trat ein ſeheriſcher Glanz, ſie blickten unbeweglich
mit geiſterhaftem Blicke vor ſich hin, als ſchaue er
etwas, ein Ding oder einen Ort, und plötzlich
griff er mit der Hand nach der Luftgeſtalt, die
ihm der auf der Höhe ſeiner Anſtrengungen gewor-
dene ekſtatiſche Zuſtand vorſpiegelte. Jene Hand-
bewegung brachte ihn zu ſich ſelbſt zurück. Er
blickte nun mit ſeiner gewöhnlichen Art um ſich
her, ſtrich ſich über die Stirne, die Anſpannung
der Muskeln ließ nach, die Brauen ſanken herunter,
die Augenhöhlen nahmen ihre gewöhnliche Größe
an, er ſah aus, wie zuvor. Der ganze Paroxys-
mus hatte nur wenige Secunden gedauert. Aber
ohne Zweifel war während deſſelben etwas Außer-
ordentliches in ihm vorgegangen. — Alſo da liegt
es! murmelte er froh und beruhigt, und ſtieg
raſchen Schrittes die Söllertreppe hinauf.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/110>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.